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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Schulfreundinnen verwischten sich und nahmen die Form fremder Personen an. Es war zermürbend.
    Manchmal konnte sie sich kaum erinnern, wer sie war und wie sie an diesen Ort gekommen war. Ihre Gliedmaßen kamen ihr so schwer vor, als gehörten sie zu einem viel größeren, weicheren Wesen. Aber das war leichter zu ertragen als die quälenden Krämpfe, die ihr in unberechenbaren Abständen durch Arme und Beine schossen.
    Der einzige klare Gedanke, an dem Paula noch festhalten konnte, war die Gewissheit, dass jemand kommen würde. Sie wusste nicht mehr, wer es sein würde, aber sie wusste, dass es früher oder später so oder so zu Ende gehen würde.

    Tony schloss die Haustür hinter sich, stand einen Moment lang still und genoss den Sonnenschein auf seinem Gesicht. Er hatte besser geschlafen, als er erwartet hatte, wollte aber nicht darüber nachdenken, warum das wohl so war. Plötzlich stand Paula McIntyres Gesicht vor seinem inneren Auge, und sofort war die Freude an diesem Morgen dahin. Er hoffte inständig, dass er mit seiner Vermutung recht gehabt hatte und sie noch lebte.
    Er stieg in den Wagen und ließ ihn an. Der Motor stotterte und hustete wie ein lungenkranker alter Mann und verstummte. Er runzelte die Stirn und probierte es erneut. Ein Klicken, danach nichts. Er sah sich im Auto nach einer Erklärung dafür um. Und natürlich gab es eine. Nachdem Carol ins Büro zurückgekehrt war, hatte er sich etwas in einem Chinaimbiss geholt. Und hatte das Licht angelassen. »Mist«, seufzte er. Selbst wenn er seine Mitgliedskarte vom Automobilclub zur Hand gehabt hätte, hatte er keine Zeit, auf den Straßenwachtfahrer zu warten, damit er sein Auto mit dem Starthilfekabel anließ. Und Carol war schon weg. Er hätte wetten können, dass sie irgendwo in ihrem Kofferraum ein Starthilfekabel hatte.
    Missmutig stieg er aus und machte sich zur Bushaltestelle auf. Er wusste, dass es einen Bus gab, der in der Nähe von Bradfield Moor vorbeikam, aber aus sehr vielen Besucherbeschwerden hatte er auch erfahren, dass die Haltestelle eine Meile vom Tor der Anstalt entfernt war.
    Vierzig Minuten später hielt ein Bus mitten in der Pampa und ließ Tony aussteigen. Er stand einen Moment da und versuchte sich zu orientieren, wo er eigentlich war, und ging dann einen Weg hoch. Endlich vom feuchtkalten Mief im Bus und der störenden Schar von Fahrgästen befreit, ließ er seinen Gedanken freien Lauf und begann sich nun des Problems anzunehmen.
    »Zwei Menschentypen werden von der Macht angezogen: die welche haben und die keine haben«, sinnierte er, während er dahinstapfte. »Da müssen wir ansetzen.
    Bei denen, die keine haben, ist es gewöhnlich aus gutem Grund so. Vielleicht sind sie weder besonders intelligent noch sehr motiviert, oder sie können nicht gut organisieren. Das hört sich nicht nach dir an, oder?«
    Er schwieg eine Weile und grübelte. »Wir sollten also wahrscheinlich annehmen, dass du Zugriff auf eine gewisse Macht hast. Das würde passen, wenn du Polizist bist – nur denkt Carol, dass ich mit dieser Annahme völlig falsch liege. Die Sache mit der Macht ist jedoch, dass diejenigen, die welche haben, immer mehr davon wollen. Absolute Macht verdirbt einen Menschen total. Und du magst Verdorbenheit, nicht wahr? Du magst ihren Geruch und Geschmack. Wenn du Polizeibeamter bist, dann ein korrupter.« Er hielt einen Moment inne und verarbeitete die Konsequenzen dieses Gedankens.
    »Und deshalb hat Dee solche Angst vor dir. Weil sie schon weiß, dass du dich nicht an die Regeln hältst.« Aus diesen Überlegungen wurde er von einem großen Geländewagen aufgeschreckt, der neben ihm anhielt. Die getönte Fensterscheibe der Beifahrerseite senkte sich herab, und Tony sah sich plötzlich Aidan Harts selbstgefälligem Gesicht gegenüber. Nach dem, was er von Carol über Harts sexuelle Neigungen erfahren hatte, fiel es ihm schwer, eine Anspielung zu unterdrücken, die ihm dieses Lächeln gründlich verdorben hätte.
    »Gehen Sie zu Ihrem Vergnügen zu Fuß, oder soll ich Sie mitnehmen?«, fragte ihn sein Chef.
    Tony grinste. »Wenn ich es mir so überlege«, sagte er, »würde ich, glaube ich, lieber zu Fuß gehen.«

    »Das wird ja schon fast zur Angewohnheit«, sagte Carol, als sie mit Kevin im Schlepptau in ihr Büro trat. »Die Leute werden anfangen über uns zu reden.«
    Kevin lächelte müde. »Ich glaube kaum. Sie wissen alle, dass ich zu geizig bin, um so einen teuren Blumenstrauß zu schicken.«
    »Kevin«, warnte sie

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