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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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tratschten, verbreiteten sich Neuigkeiten so schnell wie Ratten, die sich ihr nächtliches Quartier suchen. »Ich habe meine Kinder umgebracht.« Er konnte nichts dafür, Tränen traten ihm in die Augen, und er wischte sie ungeduldig ab. »Ich dachte, das wäre es gewesen, und ich würde die Welt da draußen nie mehr sehen. Ehrlich gesagt, hätte ich nichts dagegen einzuwenden gehabt. Ich meine, wie soll man mir vertrauen können? Wie soll ich mir selbst vertrauen? Wenn ich den Menschen, die ich auf der ganzen Welt am meisten liebe, das Leben nehmen konnte, wie kann da irgendjemand vor mir sicher sein?«
    Tyler zeigte keine Anzeichen, dass er auch nur ein Wort gehört hatte. Aber Storey fuhr fort. Er hatte ja nichts anderes zu tun. »Und daran, wie die Leute mich hier behandeln, kann ich trotz ihrer Professionalität sehen, dass sie mich für einen hoffnungslosen Fall halten. Sie sind daran gewöhnt, es mit Kranken zu tun zu haben. Aber sie geben mir das Gefühl, dass ich etwas Besonderes bin, als würde mich das, was ich getan habe, noch stärker von allen anderen absondern. Das ist das Einzige, was einem nie verziehen wird, seine Kinder zu töten. So habe ich jedenfalls gedacht, bis ich diesen neuen Arzt hier kennengelernt habe.« Er lächelte. »Dr. Hill. Er ist nicht wie die anderen. Er ist groß darin, Leute hier rauszukriegen. Er hat es fertig gebracht, dass ich begriffen habe: Besserung ist nicht unmöglich. Damit man draußen vielleicht noch mal von vorn anfangen kann. Ich sag Ihnen, wenn Sie aus dem Loch hier raus wollen, dann müssen Sie sich an ihn halten.«
    Tyler streckte zögernd einen Finger aus und schob ein Puzzlestück zu Storey hin. Es war das nächste in einer Reihe von zerklüftetem Grau, das sich schließlich als Gletscher gleich oben an der linken Ecke herausstellen sollte. Storey zeigte nicht, wie sehr ihn das freute. »Danke, Kumpel«, sagte er lässig und machte schweigend ein paar Minuten weiter.
    »Ich wünschte bei Gott, ich hätte Dr. Hill schon vor ein paar Monaten getroffen«, sagte Storey schließlich aus tiefstem Herzen und voll Verdruss. »Er wusste gleich, was mit mir nicht stimmte. Wenn mein Hausarzt mich nicht mit Pillen abgefertigt und mich stattdessen zu jemandem geschickt hätte, der Bescheid wusste, wäre ich jetzt gar nicht hier. Meine Kinder würden noch leben, und ich wäre nicht hier.«
    Tyler rutschte auf seinem Stuhl herum und wandte sich vom Tisch ab. Storey spürte irgendwie, dass er zu dem schweigenden Mann nicht mehr durchdrang. »Aber die Sache mit Dr. Hill ist … er hat mir klar gemacht, dass das nicht das Ende meines Lebens ist. Dass ich in die Welt zurück und noch einmal von vorn anfangen kann. Und das nächste Mal kann ich es besser machen. Vielleicht kann ich es richtig machen. Wenn mir jemand hilft, kann ich es schaffen.«
    Storey war sich nicht sicher, welches seiner Worte der Auslöser war, aber plötzlich hatte es geklickt. Tyler drehte sich zum Tisch zurück, betrachtete die Puzzlestücke genau, nahm eins und legte es an die richtige Stelle. Er blickte Storey direkt an, und in seinen Augen leuchtete ein unergründliches Gefühl auf. Tyler nickte langsam und stand dann auf. Er ging an Storey vorbei, blieb einen Moment stehen und klopfte ihm auf die Schulter. Dann war er fort, ein schweigender Schatten, der aus dem Raum in den Flur hinausglitt.
    Storey lehnte sich mit einem schwachen Lächeln auf seinem Stuhl zurück. Er war nicht sicher, ob seine Taktik funktioniert hatte, aber er hatte das Gefühl, dass er sich vielleicht Pluspunkte bei dem Mann verdient hatte, der ihn sowohl aus Bradfield Moor als auch aus dem Gefängnis seiner Gedanken befreien konnte.

    Carol hatte nur einen einzigen Blick auf den Tatort geworfen und dann sofort Tony angerufen. Jetzt stand er am Bett, den Kopf respektvoll gesenkt. Carol kam es fast so vor, als sehe er die Woge von Rot gar nicht, die das Leben der toten Frau weggeschwemmt hatte, weil er sich so intensiv auf ihr Gesicht mit dem Knebel konzentrierte. Sie hatte diesen Vorteil nicht. Die Leiche auf dem Bett war für sie eine persönliche Beleidigung, wie ein wohlüberlegter Wink, dass sie und ihr Team versagt und der Herausforderung durch diesen letzten Ausfall des Mörders nichts entgegengesetzt hatten. Verstandesmäßig wusste sie, dass es um nichts dergleichen ging. Männer, die so etwas taten, waren viel weniger an ihrem Publikum als vielmehr daran interessiert, was in ihren eigenen kranken Köpfen vorging. Aber

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