Toedliche Worte
auf der emotionalen Ebene war es wie eine Ohrfeige.
»Es gibt keinen Zweifel, oder?«, sagte sie leise zu Tony.
Er sah zu ihr hoch, aber im schwachen Licht der Sechzig-Watt-Birne unter dem staubigen Papierschirm konnte sie den Ausdruck seiner Augen nicht lesen. »Nicht der geringste Zweifel. Wer immer Sandies Mörder war, hat auch sie getötet.«
Carol wandte sich an Jan und Paula, die auf der Schwelle standen und auf Anweisungen warteten. »Wissen wir, wer sie ist?«
Jan nickte. »Jackie Mayall. Sie ist relativ neu in der Szene. Junkie, kam aber eher gut klar damit.«
»Hatte sie einen Zuhälter?«
»Zuletzt nicht mehr. Als sie anfing, arbeitete sie für Lee Myerson. Aber er sitzt fünf Jahre ab, weil er Heroin gedealt hat. Als wir ihn hochgenommen hatten, haben wir allen klar gemacht, dass seine Leute die Mädchen in Ruhe lassen sollen, es sei denn, sie wünschten sich, dass es ihnen wie ihrem Chef ergeht. Seit wir angefangen haben, mit dem Gesetz gegen illegale Einkünfte zu drohen, haben viele von den beschissenen kleinen Zuhältern ihre aufwendigen Schlitten abgeben müssen.«
»Okay. Jackie arbeitete also allein. Aber sie muss doch Bekannte gehabt haben. Jan, ich möchte, dass Sie und Paula sich aufmachen. Gehen Sie und reden Sie mit den Frauen. Finden Sie heraus, wer diese Absteige hier nutzt. Wer heute Abend hier war. Wer Jackie vorher noch gesehen hat. Ob sie Stammkunden hatte. Sie wissen ja, wie’s läuft.«
Die beiden Frauen waren schon am Weggehen. »Paula, wo ist Don?«, rief Carol ihr nach.
Paula drehte sich bestürzt um. Sie sagte: »Ich weiß nicht, Chefin«, aber ihr argwöhnischer Gesichtsausdruck schien zu sagen: Warum fragen Sie mich?
»Er war heute schon hier«, sagte Jan. »Er hat Kevin gesagt, er solle den Mann am Empfang vernehmen. Er hat mich und Paula geschickt, damit wir die anderen Zimmer überprüfen. Natürlich hat niemand etwas gehört oder gesehen, nicht einmal, als wir damit drohten, es ihren Frauen zu sagen. Nachdem der Polizeiarzt dann die erste flüchtige Untersuchung gemacht hatte, ging Don mit Sam, glaube ich, weg, um zu sehen, was sie auf der Straße in Erfahrung bringen konnten.«
Carol verbarg ihren Ärger. Wenn Don Merrick als Detective Inspector ernst genommen werden wollte, musste er anfangen, sich wie einer zu benehmen. Die Straßen zu bearbeiten war eine Aufgabe für untergeordnete Beamte. Er hätte hier den Rest des Teams koordinieren sollen, zumindest bis zu ihrer Ankunft, und hätte nicht in die Nacht hinausrennen sollen. »Ich will, dass er bei der Obduktion dabei ist«, sagte sie. »Sagen Sie ihm, er soll sich mit Dr. Vernons Team in Verbindung setzen.«
Tony war vom Bett zurückgetreten, damit die Spurensicherung Platz hatte, ihre geheimnisvollen Rituale abzuwickeln. Carol kam zu ihm herüber, dicht heran, aber ohne ihn zu berühren. »Es sieht aus, als sei das Blut bis auf den letzten Tropfen aus ihrem Körper herausgeflossen«, sagte sie. »Er ist völlig außer Kontrolle.«
»Es ist keine Frage mangelnder Kontrolle. Es ist zwar übertrieben. Aber auf eine ganz bestimmte Weise. Es hat mit Macht zu tun. Der Missbrauch von Macht in ihrer extremsten Form.«
»Und er wird es wieder tun«, sagte sie mit schwerer Stimme.
»Daran kann kein Zweifel bestehen. Er genießt es zu sehr, um jetzt damit aufzuhören. Und ich glaube, er wird selbstbewusster.«
Carol verzog angewidert das Gesicht. »Was meinst du damit?«
»Erinnerst du dich, dass es mindestens eine Stunde dauerte, bis Sandie starb? Und trotzdem hat er die Frau hier in ein Zimmer gebracht, das stundenweise vermietet wird. Er ist das Risiko eingegangen, dass ihm eventuell die Zeit nicht reichen würde. Er muss ganz sicher gewesen sein, dass er damit klarkommen würde, wenn etwas passiert wäre.«
Carol schüttelte den Kopf. »Das wäre ja ein unheimlich großes Risiko. Es hätte für ihn doch bestimmt die Möglichkeit, gesehen zu werden, um ein Vielfaches erhöht?«
»Das auch«, stimmte Tony zu. »Aber er scheint eigentlich nicht risikofreudig zu sein. Es geht um die Demonstration von Macht, erinnerst du dich? Die Gefahren auf ein Minimum zu beschränken. Vielleicht hat es mehr mit seinem Selbstvertrauen zu tun. Vielleicht fühlt er sich jetzt so bestätigt, dass er weiß, er könnte sich durch einen weiteren Mord aus dem Problem herauswinden.«
Carol zog scharf die Luft ein. »Es gefällt mir nicht, wie das klingt.«
»Nein, mir auch nicht. Aber wir müssen es trotzdem in Betracht
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