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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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und stand plötzlich auf, ging zur Tür und klopfte, damit man ihn rausließ.
    Er schaute nicht zurück. Hätte er es getan, dann hätte er gesehen, wie langsam ein Grinsen auf Tonys Gesicht erschien.

    Carol stand an die Wand des Leichenkellers gelehnt und sah zu, wie Dr. Vernon die Überreste von Jackie Mayall einer ersten Untersuchung unterzog. Die Spuren scharf riechender Chemikalien zusammen mit dem starken Verwesungsgeruch in der Luft lösten bei ihr Kopfweh aus. Zumindest erklärte sie damit ihre Kopfschmerzen. Vernon kratzte Proben unter den Fingernägeln des Opfers heraus, als Don Merrick besorgt und etwas zerzaust hereingestürmt kam. »Tut mir leid, Ma’am«, sagte er mit Armesündermiene. »Der Verkehr war furchtbar. Der Nebel …«
    »Wir hatten alle den gleichen Nebel, Don«, sagte Carol.
    »Ich weiß, aber …« Er verstummte. Er konnte nicht sagen, er hätte nicht genug Zeit dafür eingerechnet, dass er die Straßen und den Verkehr von Paulas Wohnung aus nicht kannte, ohne auch alles andere erklären zu müssen.
    »Und gestern Abend«, sagte Carol so leise, dass die anderen im Raum den Anschiss nicht mitbekamen, den sie Merrick verpasste. »Was war da los? Sie waren der ranghöchste Beamte am Tatort und gingen weg, um eine Arbeit zu machen, die man den Constables und Uniformierten hätte überlassen sollen. Als ich kam, standen Paula und Jan herum wie bestellt und nicht abgeholt und wussten nicht, ob sie auf den Straßen arbeiten oder auf mich warten sollten.«
    »Ich habe ihnen gesagt, sie sollten alle anderen im Hotel vernehmen«, brachte Merrick zu seiner Verteidigung vor.
    »Das hat nicht sehr lange gedauert, da nur zwei andere Zimmer belegt waren, und zwar von Leuten, die mehr an dem interessiert waren, was sie selbst dort taten, als an dem, was sich sonst tat. Don, Sie sind kein Sergeant mehr. Ich muss sicher sein können, dass Sie alles im Griff haben, wenn ich nicht da bin. Sie können nicht einfach vom Tatort eines Mordfalls weglaufen und erwarten, dass die anderen schon alles richtig machen werden.«
    Merrick ließ den Kopf hängen. »Tut mir leid, Ma’am. Es wird nicht wieder vorkommen.«
    »Das hoffe ich. Ich hab genug am Hals, ohne mir auch noch dazu Gedanken machen zu müssen, wie ich Sie die ganze Zeit nach allen Seiten absichern kann.«
    Merrick zog bei Carols scharfem Ton den Kopf ein. Er hoffte, dass die Information, die er vorzuweisen hatte, wenigstens etwas dazu beitragen würde, ihn in ihren Augen ein wenig zu rehabilitieren. »Wenigstens haben wir eine Adresse des Opfers«, sagte er. »Es hat eine Weile gedauert, aber wir haben sie in einer Einzimmerwohnung in Comb Moss ausfindig gemacht. Wir haben den Vermieter um drei Uhr morgens herausgeklingelt und die ganze Wohnung durchsucht.«
    Carols strenger Gesichtsausdruck wurde etwas entspannter. »Was wissen wir also?«
    »Jackie Mayall ist vor ungefähr achtzehn Monaten nach Bradfield gezogen. Ursprünglich kam sie aus Hayfield. Ich habe auf dem Weg mit einem der Polizisten vor Ort gesprochen. Die übliche Geschichte. Eins von vier Kindern, die Eltern Langzeitarbeitslose. Hat die Schule mit sechzehn verlassen, Jobs kaum erwähnenswert. Sie hat in einer der Fabriken gelegentlich Schicht gearbeitet, hat es aber nie geschafft, eine feste Stelle zu bekommen. Pünktlichkeit war nicht ihre starke Seite, offenbar. Sie fing dann mit Heroin an, danach mit Prostitution, um den Stoff zahlen zu können. In ’nem kleinen Ort wie Hayfield war es schwer, nicht erwischt zu werden, also zog sie in die große Stadt. Der Vermieter sagt, er wusste, dass sie Heroin nimmt, aber es war ihm egal, weil sie als Mieterin keine Probleme machte. Ich sage Ihnen, ihr möbliertes Zimmer war die sauberste, ordentlichste Wohnung, in der ich je einen Junkie habe wohnen sehen.« Merrick sah sie noch vor sich: ein ordentlich gemachtes Doppelbett, zwei billige Sessel mit bunt bedruckten Überwürfen, die die abgenutzten Polster verhüllten. Eine tadellos saubere Kochecke, Kocher kombiniert mit einem Backofen, der nur so glänzte. Die Kleider hingen ordentlich an einer Stange, kein Staub auf Fernseher und Video und ein halbes Dutzend Taschenbücher von einem Internetversand auf dem Kaminsims. Es war wirklich herzzerreißend. Ein trauriges Scheinbild eines normalen Lebens, das sich hinter der angeschlagenen Tür in einem der ärmsten Stadtteile verbarg. »Kein schönes Leben«, sagte er.
    Carol seufzte. »Trotzdem war es ihr Leben. Und dann muss so ein Scheißkerl

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