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Toedliche Wut

Toedliche Wut

Titel: Toedliche Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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Minuten von ihrem Mann vorgestellt wurden, aber sofort eine Dose Erdnussbutterplätzchen geholt und angefangen, Kaffee zu machen.
    »Ich habe gehört, Sie sind der Diakon Ihrer Gemeinde, Mr Mast«, sage ich.
    Der Mann sieht auf den Teller vor sich und nickt feierlich einmal mit dem Kopf.
    »Es ist eine schwere Bürde«, sagt Irene.
    »Wir würden gern über Ihren Sohn Noah sprechen«, beginnt Tomasetti.
    Ich sehe, wie sich die Frau versteift, doch als sie sich zu uns umdreht, macht sie einen gelassenen Eindruck. »Es ist jetzt neun Jahre her.« Sie schenkt Kaffee ein, ohne den Blick zu heben.
    Erst jetzt registriere ich das vierte Gedeck: ein Teller, Besteck, eine Tasse für Kaffee und ein Plastikbecher für Milch.
    »Neun Jahre sind eine lange Zeit«, sage ich.
    Irene stellt einen Teller mit zwei Plätzchen vor mich. »Am Anfang haben wir noch gehofft und viel gebetet. Aber nach so langer Zeit … glauben wir, dass er bei Gott ist.«
    »Glauben Sie, dass er aus eigenem Antrieb weggegangen ist?«, frage ich. »Oder dass ihm etwas passiert ist?«
    Der Mann sieht auf seinen Teller hinab, Blutspritzer am Hemd und rote Schmiere im Nacken. Er hat sich nach dem Schlachten nicht die Hände gewaschen.
    »Noah hatte Probleme«, sagt Perry. »So wie sie junge Männer manchmal haben.«
    »Was für Probleme?«, frage ich.
    »Mit dem Trinken. Er hat Musik gehört und … die Mädchen gemocht.«
    »Er hat seine Sünden dem Bischof gebeichtet«, fügt Irene hinzu.
    In den Augen der Amischen ist das Beichten von Sünden gleichbedeutend mit einer »Du kommst aus dem Gefängnis frei«-Karte im Monopoly. Ganz egal, wie abscheulich dein Vergehen ist, wenn du beichtest, wird es dir vergeben.
    »Die englische Polizei hat gesagt, Noah wollte dem schlichten Leben abschwören«, sagt Perry kurz darauf. »Ich weiß nicht, woher sie das hatten, aber wir haben das nie geglaubt und glauben es immer noch nicht.«
    »Noah war gern amisch.« Irenes Augen sind voller Gefühl. »Er war ein bescheidener Junge mit einem großen, selbstlosen Herz.«
    »Was glauben Sie, ist ihm passiert?«, fragt Tomasetti.
    Perry schüttelt den Kopf. »Wir haben keine Ahnung. All die Dinge, die die Englischen gesagt haben …« Er lässt den Satz unvollendet, als wäre er es seit langem müde, die Worte auszusprechen.
    Ich hatte mir noch vor der Fahrt hierher die Akte angesehen, die die Mitarbeiter des Sheriffs über Noah zusammengestellt hatten. Eine Vermisstenanzeige wurde aufgegeben, Personen wurden befragt, die Gegend wurde abgesucht. Die Polizisten – und auch die meisten Amischen – glaubten, dass er weggelaufen war.
    »Können wir vielleicht doch erfahren, was die Englischen gesagt haben?«, frage ich behutsam.
    Die Masts tauschen Blicke, und ein unbehagliches Schweigen tritt ein. Wir drängen nicht, lassen ihnen Zeit.
    »Es gab Gerüchte.« Perry verzieht das Gesicht. »Und nicht nur unter den Englischen . Auch ein paar amische junge Leute … wussten Dinge.«
    »Leeres Geschwätz.« Seine Frau sieht ihn scharf an. »Weiter nichts.«
    Tomasetti konzentriert sich auf Perry. »Was für Gerüchte?«
    Perry starrt in seinen Kaffee. »Es gibt da einen Mann, Gideon Stoltzfus. Er war einmal amisch, konnte sich aber nicht der Ordnung fügen und wurde unter Bann gestellt. Ich habe gehört, dass er jungen Amischen hilft, sich vom schlichten Leben loszusagen.«
    »Er ist ein Mennischt .« Irene spuckt das Wort für Mennonit aus wie ein madiges Stück Fleisch.
    »Nachdem Noah verschwunden ist, fanden wir heraus, dass er Kontakt mit Stoltzfus hatte.« Perry bläst in seine Tasse, nippt am Kaffee. Er hat Blut unter den Fingernägeln und Krumen im Bart, und ich blicke zur Seite. »Wir glauben, dass Gideon Noahs jungen Kopf mit Unwahrheiten über die Amischen gefüllt hat.«
    »Die Mennoniten rekrutieren«, sagt Irene.
    Als ehemalige Amische weiß ich, dass es Männer wie Stoltzfus gibt. Auch bei mir in Painters Mill betreibt ein Mann eine Art geheimes Netzwerk für junge Amische, die dem schlichten Leben abschwören wollen, und gewährt ihnen für die Übergangszeit Unterschlupf. Doch anders, als die Masts glauben, sind diese Männer keine gehirnwaschenden Monster, sondern sie bieten eine Brücke zu einem alternativen Lebensstil. Aber wenn Noah sich mit Stoltzfus getroffen hat, steht das natürlich nicht in der Akte.
    »Glauben Sie, Stoltzfus hat Noah geholfen wegzugehen?«, frage ich.
    »Ich weiß nicht, was ich glauben soll.« Perry trinkt den Kaffee aus und steht

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