Toedliche Wut
der Pädophilen und männlichen Sexualstraftäter abgleichen, die in den letzten fünf Jahren verurteilt wurden. Es ist ein Ansatzpunkt, mehr nicht.
Ich parke ein paar Meter hinter der Brücke auf dem Seitenstreifen. Beim Blick in den Rückspiegel sehe ich, dass Rasmussen hinter mir hält. Wir steigen beide aus und treffen uns an meinem Wagen.
Er sieht nach Westen, wo die Sonne schon hinter einer purpurroten Wolkenbank verschwunden ist. »In einer halben Stunde ist es dunkel.«
Ich zeige nach links, wehre mich gegen das Gefühl, hier nur unsere Zeit zu verschwenden. »Ich gehe nach Osten und Sie nach Westen. Vielleicht finden wir ja etwas.«
Er nickt, und wir begeben uns in entgegengesetzter Richtung auf die Suche.
Auf diesem einsamen Stück Landstraße herrscht wenig Verkehr. Im Osten endet sie nach zwei Meilen in einer Sackgasse bei der Mülldeponie des Countys, deren Tore bis auf samstagvormittags mit Ketten verschlossen sind. Die schmale Asphaltstraße ist voller Schlaglöcher, die Mittellinie so gut wie verschwunden. Ich gehe auf dem kleinen Seitenstreifen, lasse den Blick über den grasbewachsenen Straßengraben, den Zaun, das Sojafeld und den Schotter zu meiner Linken schweifen. Wonach ich genau suche, weiß ich nicht. Vielleicht springt mir ja irgendetwas ins Auge, zum Beispiel Kampfspuren oder Bremsspuren. Sie würden zwar nicht zwangsläufig auf ein Verbrechen schließen lassen, aber manchmal gleicht das Zusammentragen von Beweismaterial einem Puzzle. Allein für sich gesehen, haben die Einzelteile keine Bedeutung, doch wenn man sie richtig zusammenfügt, entsteht ein Bild.
Mehrere Minuten vergehen, in denen mir lediglich auffällt, dass es langsam dunkel wird und der Vogelgesang in den Wäldern vom Chor der Grillen abgelöst wird. Nahe der Brücke finde ich eine Bierdose und Überreste eines Papierhandtuchs, eine kleine Plastiktüte, an der sich anscheinend ein Tier ausgetobt hat. Zwanzig Meter hinter der Brücke entdecke ich im Schotter Abdrücke von Pferdehufen, weitere im Gras zusammen mit Pferdeäpfeln. Hier also reitet Mandy Reiglesberger gewöhnlich entlang.
Ich will gerade umkehren, als mein Blick auf die Spuren einer Vollbremsung fällt. Das ist auf einer Landstraße natürlich nichts Ungewöhnliches – Menschen bremsen für Tiere, Teenager, die gerade ihren Führerschein gemacht haben, brettern mit durchdrehenden Reifen aus dem Stand los, um mit ihren PS vor ihren Freunden zu protzen und sich zu produzieren.
Doch diese Bremsspuren sind frisch, und mir bleibt das Herz stehen, als ich eine dünne braune Zigarette im Schotter liegen sehe. Sie ist nur zur Hälfte aufgeraucht, und mindestens ein Auto ist drübergefahren. Ich ziehe einen Gummihandschuh aus der Gürteltasche und will sie gerade aufheben, als mir der Nelkengeruch in die Nase steigt. Sadie hat Nelkenzigaretten geraucht, und das ist – zumindest für mich – der Beweis, dass sie hier war.
Ich sehe über die Schulter zurück zu Rasmussen, der in fünfzig Metern Entfernung durch kniehohes Gras stapft. »Rasmussen! Ich glaube, ich habe was gefunden. Holen Sie die Kamera!«
Er nickt und geht zu seinem Wagen.
Im Stillen verfluche ich die einbrechende Dunkelheit und sehe mir die Reifenspur genauer an. Sie führt vom Asphalt auf den Schotter und weiter ins Gras – als hätte jemand mitten auf der Straße eine Kehrtwende gemacht. Doch ein Reifenprofil ist nicht erkennbar. Und dann entdecke ich etwa zwei Meter weiter genau das, was ich nicht entdecken wollte: einen unregelmäßig geformten Fleck. Ich weiß sofort, dass es Blut ist.
»Scheißmist«, murmele ich und muss schwer gegen das niederschmetternde Gefühl der Hilflosigkeit ankämpfen.
»Sieht aus wie Blut«, höre ich Rasmussen hinter mir sagen.
Er zieht eine Minitaschenlampe aus einer Schlaufe seines Gürtels und leuchtet direkt auf den Fleck. »Muss nicht von ihr sein.« Er blickt zu dem Waldgebiet bei der Brücke. »Könnte von einem angefahrenen Tier stammen, Waschbär oder Opossum, das vom Bach hochgekommen ist.«
»Möglich.« Doch das glaube ich nicht. Wenn ein Tier angefahren wird, liegt der Kadaver meistens in der Nähe. Ich zeige auf den Zigarettenstummel. »Sadie Miller hat Nelkenzigaretten geraucht.«
Wir gehen neben dem Fleck in die Hocke. Es ist nicht so viel Blut wie in Buck Creek, keine Lache, eher länglich, wie hingeschmiert – wie eine Schleifspur.
Ich wünschte, ich hätte eine Lupe dabei, so muss ich mich tief nach unten beugen und entdecke auf
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