Toedliche Wut
schlechte Nachrichten mit.
Ich reiße den Morgenmantel vom Stuhl neben dem Bett, ziehe ihn über und verknote den Gürtel. Dann nehme ich meine .38er aus der Nachttischschublade, entsichere sie und gehe barfuß zur Küche, schleiche zur Tür und spähe durch die Gardine.
John Tomasetti steht mit den Händen in der Tasche da und blickt hinaus in den Garten, als wäre sein nächtliches Erscheinen hier das Natürlichste der Welt.
Ich entriegele das Schloss und mache die Tür auf. »Erzähl mir jetzt nicht, dass du gerade in der Gegend warst.«
Er dreht sich zu mir um, die Hände weiter in den Taschen, das Gesicht ausdruckslos, und eine Schrecksekunde lang fürchte ich, er hat schlimme Nachrichten für mich. »Genaugenommen bin ich wider besseres Wissen und ohne meine Vorgesetzten zu informieren hundert Meilen gefahren, um mit dir zu schlafen.«
Mein Lachen klingt nervös. »Wow, das ist echt subtil.«
»So bin ich nun mal, Mr Subtil.« Seine Lippen bewegen sich kaum, doch ich sehe das Lächeln in seinen Augen. »Ich wollte schon immer mal in einem rosa Plüschmantel empfangen werden. Passt gut zur .38er.«
Verlegen sehe ich an mir hinunter auf meinen fadenscheinigen Bademantel, dann halte ich die Tür auf. »Tomasetti, du bist ein ausgemachter Mistkerl.«
»Klar, aber du freust dich trotzdem, mich zu sehen.«
Tatsache ist, dass er ziemlich klasse aussieht, so wie er da steht. Kein guter Indikator für eine kluge Weiterentwicklung dieser nächtlichen Stunden.
Ich winke ihn mit einer Handbewegung ins Haus. »Ist alles in Ordnung?«
»Wir machen definitiv Fortschritte.«
Er hat kaum die Küche betreten, da ist der ganze Raum von ihm erfüllt. Es ist, als wäre die Luft elektrisch aufgeladen und ich davon bis ins Innere durchdrungen.
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe«, sagt er. »Es ist momentan bestimmt schwer, Schlaf zu finden.«
»Das ist es immer, wenn wir zusammen sind.«
»Ich hab den Fall gemeint.«
»Darauf trifft’s auch zu.« Als ich mich umdrehe, sehe ich gerade noch, wie er mich von oben bis unten betrachtet. Doch ich zwinge mich zur Zurückhaltung, lege die Waffe auf den Küchentisch und knipse das Licht an.
»Gibt’s was Neues in dem Fall?«, frage ich.
Er schüttelt den Kopf, tritt an den Tisch, zieht die Jacke aus und hängt sie über den Stuhl. Dann zieht er seine Glock aus dem Schulterholster, schnallt das Holster auf und legt beides auf den Tisch. »Wir haben den Durchsuchungsbeschluss für Stacy Karns’ Haus bekommen, aber als der Richter ihn schließlich unterzeichnet hatte, war es zu spät, um noch hinzufahren. Der Sheriff hat die Durchsuchung für morgen früh angesetzt.« Er hebt den Kopf und sieht mich an. »Ich muss sehr früh raus.«
»Es ist bereits sehr früh«, sage ich.
»Ich muss ein paar Stunden totschlagen.«
»Wo hast du nur das Süßholzraspeln gelernt.«
»Das wollen alle Polizeichefinnen wissen.«
Ich kenne Tomasetti jetzt seit eineinhalb Jahren. Nach einer schwierigen Anfangsphase wurden wir Freunde – was für uns beide nicht gerade die natürlichste Sache der Welt ist. Vielleicht, weil wir so viel gemeinsam haben. Oder aber, weil diese Gemeinsamkeiten nicht nur Gutes betreffen.
Vertrauen ist für Menschen wie uns eine schwierige Angelegenheit. Aber er ist so ziemlich der beste Freund, den ich je hatte. Gesprochen haben wir nie darüber, denn Tatsache ist nun einmal, dass wir für eine Mann-Frau-Beziehung nicht gerade gebacken sind. Zudem ist unsere Kommunikationsfähigkeit absolut unterentwickelt, besonders in Bezug auf unsere Gefühle. Für uns ist das alles Neuland, aber es gefällt mir. Und er kommt immer wieder zurück für mehr, und ich lasse es immer wieder zu.
Ich gehe ins Wohnzimmer und schalte den CD-Player an. Ich habe Musik schon immer geliebt, auch als Amische, aber damals gehörte sie zu den verbotenen Früchten. Einmal bin ich sogar heimlich in ein Einkaufszentrum gegangen und habe dort aus dem Wagen eines englischen Mädchens einen CD-Player und mehrere CDs gestohlen. Ich konnte einfach nicht genug davon kriegen und hab mir die Songs immer wieder angehört, bis mein Datt mich schließlich dabei erwischte und zwang, alles zurückzugeben. Doch in meinem Erwachsenenleben gibt es momentan viel zu wenig Musik. Ich wähle einen Song von Frank Sinatra, Fly Me to the Moon , und werde sofort ruhiger.
Auf dem Weg zurück in die Küche sehe ich Tomasetti in der Tür zu meinem Arbeitszimmer stehen, er betrachtet mein nächtliches Werk auf
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