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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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in der rechten Hand eine Pistole, die er beständig auf Tom gerichtet hielt, warf ihm mit der linken einen Schlüssel zu. »Aufschließen und dann den Schlüssel an mich zurück.«
    Dunkelheit empfing sie im Haus. Rudi machte eine einfache Lampe an und öffnete eine Tür, die in den Keller hinabführte. Ein undefinierbarer Duftmix strömte ihnen entgegen, eine muffige Feuchtigkeit, die sich mit einem anderen Geruch mischte, der in den Wänden zu sitzen schien. Es war der Geruch von Angst. Rudi machte am oberen Ende der Treppe Licht und schob Tom vor sich her nach unten in einen großen, fensterlosen Raum mit gelbweißen Wänden.
    In einer Ecke des Raumes waren Backsteine und Hohlblocksteine gestapelt, daneben standen ein Sack Zement, Plastikeimer und ein Gartenschlauch. Etwa in der Mitte der schmalen Wand war ein paar Meter in den Raum hinein eine Querwand gemauert und in derselben Farbe wie der übrige Raum gestrichen. An der einen Längswand standen ein Metallbett mit einer dünnen Matratze und ein Tisch mit einer Reihe elektronischer Apparaturen und Bildschirme darauf. Um den Tisch herum waren vier Holzstühle und ein altes Ledersofa gruppiert. Es gab auch einen Stahlwaschtisch, dessen Becken voll war mit gebrauchtem Geschirr. An der anderen Schmalwand waren zwei Schränke mit Vorhängeschlössern und ein alter Kühlschrank platziert.
    Rudi ergriff ein Seil, das vor der untersten Treppenstufe lag. »Nehmen Sie das und fesseln Sie Ihre Füße.«
    Tom hockte sich auf den kalten Kellerfußboden und wickelte sich das Seil um die Füße.
    »Strammer!« Rudis Stimme traf ihn wie ein Peitschenhieb.
    Tom zog das Seil fester.
    »Wie gefällt Ihnen mein Elternhaus?« Mit einem Mal war Rudis Stimme wieder beunruhigend sanft. »Ich nehme gerade ein paar Instandsetzungsarbeiten vor.« Er hob einen Backstein auf und warf ihn unerwartet in Toms Richtung. Er knallte knapp neben ihm an die Wand, und ein großes Stück Putz rieselte auf den Boden.
    »Diesem Raum haben wir den Namen ›Vollkommene Finsternis‹ gegeben. Wer hierherkam, wurde mit Elektroschocks, Medikamenten oder Hypnose behandelt. Und wenn er wieder rauskam, war er entweder vollgepumpt mit Drogen oder so durch die Mühle gedreht, dass er kaum noch seinen Namen kannte. ›Hirnkonfiguration‹ haben sie das genannt. Sie – das waren Spezialisten aus Osteuropa, die im Westen aber nur Arbeit als Tellerwäscher und Toilettenputzer bekamen und deshalb für ein verlockend gutes Honorar gerne bereit waren, mit den Gehirnen von Jungs wie uns zu experimentieren.«
    Tom sagte nichts, aber Rudi schien auch keine Antwort zu erwarten.
    »Ich habe es ›mein Elternhaus‹ genannt, aber das ist nicht ganz korrekt. Es war ein Kinderheim für Kinder ohne Identität. Kinder, die aus dem einen oder anderen Grund außerhalb des Systems geboren waren. Kinder illegaler Einwanderer zum Beispiel oder Kinder, die unerwünscht und deshalb nirgendwo registriert waren. Wie mein Bruder und ich. In Wahrheit aber war dieses ›Kinderheim‹ ein Ausbildungslager, mit dem Ziel, eine Armee gehorsamer Soldaten im Dienst der organisierten Kriminalität heranzuziehen, ein Heer identitätsloser Killer, unmöglich zu fassen, weil es sie gar nicht gibt. Sollte einer von uns wider Erwarten doch einmal geschnappt werden, wäre es, als hätte man eine Schneeflocke gefangen, die zwischen den Fingern schmilzt, noch während sie untersucht wird.
    Es gibt inzwischen Hunderte solcher gesichtsloser Krieger, loyale Männer, bereit, ihr Leben im Kampf für das organisierte Verbrechen einzusetzen. Ein geniales Konzept, entworfen von einem Mann, der sich Vater Joachim nennt. Den Namen hat er bekommen, weil er mit Vorliebe Hemden und Anzüge mit Stehkragen trägt, was ihm etwas Priesterliches verleiht. In Wirklichkeit ist Vater Joachim jedoch meilenweit davon entfernt, ein Priester zu sein.«
    Tom hörte aufmerksam zu, obgleich er von der groben Behandlung noch reichlich benommen war. Er hatte gerüchteweise von derartigen Trainingslagern gehört, aber nie gedacht, selbst einmal eines zu Gesicht zu bekommen. Die beklemmende Atmosphäre, die hier geherrscht haben mochte, hatte das Gemäuer nicht verlassen, er hatte sie von der ersten Sekunde an gespürt.
    »Wir haben unsere gesamte Kindheit hinter diesen Mauern verbracht. Als Siebzehnjährige waren wir bereits fertige Killer: knallhart, gebildet und mit brennendem Engagement für die Organisation. Wir wurden in die Welt hinausgeschickt, um alle Schichten der

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