Tödlicher Applaus
kurzen Nicken hinter sich schloss.
Hans legte den Kopf auf die Stuhllehne und schnappte nach Luft. Sein Herz klopfte so heftig, dass er glaubte, es müsse im ganzen Saal zu hören sein – schließlich war die Wiener Staatsoper für ihre fabelhafte Akustik bekannt.
»Rudi, bist du hier? Was machst du?« Er zuckte wieder zusammen.
Maria spähte mit der Hand über den Augen in den Zuschauerraum, doch der Bereich, in dem er saß, lag wegen des Scheinwerferlichts für sie im Dunkeln.
»Ich versuche, meine Nerven unter Kontrolle zu kriegen!«, sagte er wahrheitsgemäß. Seine Finger zitterten, als er die Halskette seines Bruders in die Box legte, die zuerst gesprengt werden sollte. Auf dem Anhänger standen Rudis Name und seine Blutgruppe.
»Du bist süß! Geh in die Kantine und trink ein Glas Sekt! Wir sind bald fertig hier. Ich schick dir eine SMS!«
Hans nickte erleichtert. Das war die freundlichere Art zu sagen, dass Wassermann den Saal gerne für sich allein haben wollte. »Ich gehe dann mal!« Hans stand auf und stellte die Boxen diskret zurück an ihre Plätze. Jetzt hieß es abwarten. Warum sollte er sich nicht tatsächlich ein Glas Sekt gönnen?
Roter Teppich
Das Einfachste wäre, ich sprenge mich mit dem Handy selbst in die Luft, dachte Tom Hartmann, als er in dem Café saß und verzweifelt wartete. Er war bei seinem zehnten Kaffee angekommen und merkte, wie sein Körper zu protestieren begann. Er hatte die Situation nach jedem Kaffee neu analysiert und sah nur zwei Wege: entweder geradewegs durch die Hölle zu gehen oder sich selbst in die Luft zu sprengen. Entschied er sich dafür, seinem Leben ein Ende zu setzen, hieß das aber mit größter Wahrscheinlichkeit, dass sie Cathrine umbrachten.
Sein Tod wäre keine große Sache: ein Tastendruck auf dem Handy, kurz und schmerzlos. Nur der Aufräumtrupp, der ihn dann von den Wänden der Wiener Staatsoper kratzen müsste, tat ihm leid. Vielleicht würden sie nicht alles wegbekommen, und so gesehen würde er auf dem schönsten Friedhof seine Ruhe finden, den er sich vorstellen konnte. Ein makabrer Gedanke, den er wohl seinem Galgenhumor zu verdanken hatte. Cathrines Tod hingegen wog viel schwerer. Lebendig begraben, ein langsames, angstvolles, einsames Sterben. Sobald die Maierbrüder den letzten Stein in die Mauer setzten, die sie um Cathrine herum errichtet hatten … Halt! Er befahl seinem Gehirn, nicht daran zu denken.
Er trank einen Schluck Kaffee und spürte das taube Gefühl, das sich nach zu viel Koffein an der Zungenwurzel einstellt. Noch eine Tasse, und die bittere Brühe würde ihm sofort wieder aus dem Gesicht fliegen. Nein, er hatte keine echte Wahl. Cecilie durfte nicht beide Eltern verlieren. Er konnte nur hoffen, dass er es schaffte, die Aktion durchzuziehen, damit Cathrine freikam.
Vor ihm auf dem Tisch lag der falsche Presseausweis. Auf dem Foto sah er krank aus mit seinem eingefallenen Gesicht und den dunklen Ringen unter den Augen. Kopf und Wangen waren glatt rasiert, selbst die Augenbrauen hatten die Maierbrüder entfernt. Unglaublich, wie sehr er im Laufe von zwei Wochen gealtert war. Wäre er sich auf der Straße begegnet, er hätte sich nicht einmal selbst wiedererkannt. Joop van der Hagen, Freelance Journalist, Cape Town, stand in dem Ausweis. Die Brüder Maier meinten, er habe einen leichten Afrikaans-Akzent, wenn er Deutsch sprach, und hatten deshalb einen Südafrikaner aus ihm gemacht.
Hans hatte ihn mit einer neuen Armbanduhr ausgerüstet, in der ein kleiner GPS-Sender eingebaut war. So konnten sie am PCoder via Smartphone jede seiner Bewegungen verfolgen. Wenn er nicht in die Oper ginge, würden sie das sofort mitbekommen und Cathrine dafür bestrafen.
Sein Blick wanderte in Richtung Oper. Die großen Übertragungswagen der Fernsehkanäle hatten ihre Plätze eingenommen. Die Premiere-Fackeln waren entzündet, und der rote Teppich war ausgerollt. Die ersten Gäste trafen ein. Er wollte nicht zu früh losgehen, besser erst dann, wenn das Aufgebot an Promis über den Läufer defilierte und das Blitzlichtgewitter und die Aufmerksamkeit der Schaulustigen sich auf die Berühmtheiten richteten. VIPs kamen grundsätzlich nicht zu früh.
Der Kellner in der blanken Smokingjacke brachte die Rechnung für zehn Tassen Koffein. »Heute Abend werden Sie jedenfalls keine Probleme haben, wach zu bleiben«, sagte er mit einem Nicken auf die Rechnung.
Tom lächelte. »Kaffee steigert die intellektuelle Leistungsfähigkeit.«
»In dem
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