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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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dem Saal: »Victor Kamarov soll seine Sünden bekennen!« Andere Stimmen schlossen sich an. Am Ende riefen zweitausend aufgebrachte Zuschauer: »Victor Kamarov soll seine Sünden bekennen! Victor Kamarov soll seine Sünden bekennen!«
    Der Zorn war plötzlich größer als die Angst. Die Leute begannen ihre Wut herauszuschreien, die Stimmung im Saal kochte. Die Geiseln verwandelten sich in einen Mob, der jeden Moment zum Äußersten gehen konnte, nur um die eigene Haut zu retten.
    Victor Kamarov hatte keine andere Wahl, er musste etwas tun. Also erhob er sich wieder und schob sich durch die Bankreihe nach außen. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Was sollte er sagen? Wie viel musste er preisgeben, um den Wahnsinnigen dort oben zufriedenzustellen?
    Die Zuschauer im Saal hatten sich von ihren Plätzen erhoben, eine brüllende und mit den Fäusten drohende Menge. Nur zwei Menschen saßen noch: Anna, links vom Orchestergraben, scheinbar völlig unberührt in ihrem dornröschenartigen Zustand, und Michael neben ihr.
    Michael Steen war fassungslos und schockiert, weil sein innigster Wunsch nach Rache ihn einzuholen drohte wie eine Nemesis. Wenn der Irre dort oben aus Versehen den falschen Knopf drückte, würde seine geliebte Enkeltochter in die Luft gesprengt werden. Und er traute dem Mann, der nun die letzten Schritte auf die Bühne zurücklegte, definitiv nicht zu, dass er in diesem Augenblick an irgendetwas anderes dachte als an sich selbst. Steen war sicher, dass Kamarov, würde man ihn vor die Wahl stellen, sein Leben oder das seiner Tochter zu opfern, das ihre opfern würde.
    Kamarov hatte Probleme mit dem Gleichgewicht, ihm wurde schwindelig von dem scharfen Scheinwerferlicht. Er hob eine Hand, um zu signalisieren, dass er etwas sagen wollte, und es wurde still im Saal.
    Michael Steens Blick war auf Kamarov geheftet. Er wagte nicht einmal zu blinzeln und konzentrierte all seine geistige Energie darauf, den Mann dazu zu zwingen, die Wahrheit zu sagen. Hätte er einen Blick auf Anna geworfen, hätte er gesehen, dass ein Zittern durch ihren Körper ging, als schickte jemand Impulse durch das abgeschaltete Nervensystem. Wie eine milde Abendbrise graue Asche ein letztes Mal in flammendem Rot aufglühen lässt, ehe die nächtliche Dunkelheit sich herabsenkt.
    Anna schlug die Augen auf …
     

Eine Kugel für Tom Hartmann
    Werner Diepold hatte sich in eine sitzende Position gebracht und knöpfte seine Uniformjacke auf, vorsichtig, einen Knopf nach dem anderen. Ein Zuschauer starrte fasziniert in seine Richtung. Diepold gab ihm mit einem scharfen Blick zu verstehen, dass er das unterlassen solle. Er führte jede Bewegung so langsam wie möglich aus, um die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu ziehen, und so schien das Aufknöpfen der Jacke eine Ewigkeit zu dauern.
    Totenstille herrschte im Saal. Da begann Victor Kamarov mit tiefer Stimme zu sprechen. Sein leichtes Vibrato zeugte entweder von großer emotionaler Bewegung oder von einem einzigartigen schauspielerischen Talent. Wahrscheinlich irgendetwas dazwischen, dachte Diepold.
    »Der heutige Abend …«, begann Kamarov. »Der heutige Abend sollte der größte Abend in meinem Leben werden. Stattdessen sind meine Tochter und ich Opfer eines merkwürdigen Schauspiels geworden, inszeniert von Tom Hartmann, einem Mörder, der uns zwei der bedeutendsten Künstler geraubt hat, James Medina und Francesco Arpata. Und jetzt will er mir meine geliebte Tochter Maria nehmen. Er behauptet, ich hätte Verbrechen begangen. Und er besteht darauf, dass ich meine Sünden bekenne. Welchen Wert und welchen Wahrheitsgehalt haben Geständnisse, die unter Zwang abgelegt werden? Jeder Vater, der seine Tochter liebt, würde was auch immer gestehen, wenn er sie damit retten kann! Ich wende mich an Sie, verehrtes Publikum, an die Menschen, denen ich mein Leben lang ergeben gedient habe. Ihr habt gerufen: ›Kreuzigt ihn, kreuzigt ihn!‹ Wie schmerzlich es für mich auch ist, dieses Urteil zu vernehmen, ich vergebe euch. Ihr habt Angst, und das ist verständlich. Auch ich habe Angst. Nicht um mich, sondern um meine Tochter. Aber das kann man mit Menschen wie Tom Hartmann nicht verhandeln.«
    Diepold zog die Pistole aus dem Halfter. Er trocknete seine feuchten Finger an der Uniformhose ab und umfasste die Pistole mit beiden Händen. Er musste versuchen, sich derart langsam in Stellung zu bringen, dass er niemandem vorne auf der Bühne auffiel. Die Kameras waren glücklicherweise auf die Ausgänge

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