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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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Banken und Privatpersonen. Seit Jahren wird er mit Klagen bombardiert, schert sich aber einen Teufel darum. Er hat sich immer damit rausgeredet, sich nicht auf Zahlen und wirtschaftliche Transaktionen zu verstehen. Allein seine Steuerschulden belaufen sich auf acht Millionen.«
    »Dollar oder Rubel?«
    Tom schmunzelte in sich hinein. Cathrine war hin und wieder mit einem staubtrockenen Humor gesegnet. Hin und wieder. Aber es war eine andere Qualität gewesen, die bei ihrer ersten Begegnung für Gesprächsstoff zwischen ihnen gesorgt hatte. Cathrine hatte das absolute Gehör. Sie hatten sich bei einem Fest von gemeinsamen Freunden kennengelernt, und als Cathrine mitbekommen hatte, dass er Opernkritiker war, hatte sie ihm von ihrem Gehör erzählt. Er hatte sich ans Klavier gesetzt und sie getestet. Verblüfft hatte er feststellen müssen, dass die frisch ausgebildete Polizistin die falsche Berufslaufbahn gewählt hatte. Mit dieser Gottesgabe hätte sie Musikerin werden sollen. Toms Gehör war nicht annähernd so gut. An diesem Abend waren sie ein Paar geworden und verbrachten von nun an so viel Zeit zusammen, dass sie von ihren Freunden bald als »die Unzertrennlichen« bezeichnet wurden. Cathrines Notizeifer brachte Tom zurück zu Medina. »Und was, wenn es kein Täter, sondern eine Täterin ist?«
    »Aha?« Cathrine schien noch nicht in diese Richtung gedacht zu haben.
    »Medina schien den Ehrgeiz zu haben, den Rekord aus Leporellos Registerarie noch zu übertreffen.«
    Cathrine sah ihn fragend an.
    Tom ärgerte sich über ihre Unwissenheit. »Darin werden Don Giovannis Eroberungen besungen: in Italien sechshundertvierzig, in Deutschland zweihunderteinunddreißig, einhundert in Frankreich, in der Türkei bloß einundneunzig. Aber in Spanien tausendunddrei! Medina legte Putzfrauen und Diven flach, Bardamen und Prinzessinnen. Wenn er länger an einem Opernhaus war, schloss er Wetten mit dem Bariton des Stückes ab, wer von ihnen sich schneller durch den weiblichen Teil des Balletts geschlafen hatte. In der Regel gewann Medina.«
    »Ich dachte, er wäre ein großer Künstler.«
    »Das macht ihn nicht automatisch zu einem guten Menschen. Einen Opernstar näher kennenzulernen kann sehr desillusionierend sein. Viele glauben, in einem Opernhaus gäbe es nur reinen Geist und hehre Kunst. Das ist sicher wahr, aber zugleich gibt es keinen Ort auf der Welt, an dem mehr Intrigen gesponnen, mehr hinterhältige Dolchstöße ausgeführt werden und mehr Missgunst herrscht. Da geht es zu wie im Florenz der Renaissance, wo jeder ein potenzieller Giftmörder sein konnte. Sänger leben in und von Emotionen. Ihr Beruf ist es, diese Emotionen auf die Zuhörer zu projizieren und zu verstärken. Drama ist ihre Profession, aber auch ihr Lebenselixier. Das Problem ist nur, dass sie nicht immer wissen, wo der Aus-Knopf ist. Und dann kann es passieren, dass die Gefühle im Alltag zu groß werden.«
    Cathrine sah ihn prüfend an und kam dann zur Sache: »Wo soll ich anfangen? Was ist das Nächstliegende?«
    »Ist es nicht deine Aufgabe, das herauszufinden?« Allmählich wurde Tom ungeduldig. Sie wollte Informationen von ihm. Plötzlich war er wichtig für sie, aber nicht auf die Weise, die er sich wünschte. Sie nutzte ihn nur aus, um beruflich zu brillieren, den Fall zu lösen und sich noch eine Feder an den Ermittlerhut zu stecken.
    »Fünfzehn Menschen sind tot, mehr als hundert verletzt. Und das neue Opernhaus muss für Millionen renoviert werden.«
    »Und darum bin ich plötzlich interessant für dich.«
    »Niemand kennt sich besser in diesem Milieu aus als du, Tom.«
    »Das ist teuer erworbenes Wissen. Verlass Matthias, dann könnte ich mir überlegen, dich daran teilhaben zu lassen.« Tom war sich der Gemeinheit dieses Vorschlags bewusst, konnte sich die Spitze aber nicht verkneifen. Sie würde ihn dafür hassen, aber irgendwie war das auch ein befriedigendes Gefühl. Alles war besser als Gleichgültigkeit. »Ich sollte James Medina interviewen, das wäre das einzige Interview gewesen, das er seit Jahren gegeben hätte, und dann sagt er im letzten Moment ab. Und jetzt ist er so gut wie tot. Ich bin geneigt zu sagen: geschieht ihm recht. Bist du dir im Klaren darüber, was das für mich bedeutet hätte? Ein solches Interview hätte mein Magazin international an die Spitze katapultiert. Es hätte mir bis auf Weiteres meinen Lebensunterhalt gesichert. Ich habe ein ganzes Jahr darauf hingearbeitet, viermal täglich mit Victor Kamarovs Büro

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