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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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aller Ruhe zu Hause tun.«
    »Ich war schon immer ein ungeduldiger Mensch.« Kamarov lachte und legte auf, ehe Tom etwas entgegnen konnte.
    Das kurze Gespräch hinterließ bei ihm einen schalen Nachgeschmack. Wie hatte Kamarov so schnell Wind davon bekommen? Hatte er den Portier beauftragt, ihm sofort Bescheid zu geben, sobald der Umschlag ausgehändigt worden war. Es würde ihn aber auch nicht wundern, wenn Kamarov überall Spione platziert hätte.
    Statt nach Hause zu gehen, begab Tom Hartmann sich ins Village in der Bygdøy Allé. Er suchte sich einen Tisch im hinteren Teil des Lokals mit diskreter Beleuchtung, bestellte einen Mixed Grill und eine Flasche Domaine de Campuget und öffnete den Umschlag. Er beinhaltete eine American-Express-Karte, Black label, sowie ein Business-Class-Flugticket nach Wien für den nächsten Morgen. Auf einem handgeschriebenen Zettel stand: Sie werden am Flughafen abgeholt. Victor.
    Wir sind also schon beim Vornamen. Das Ganze entwickelte sich schneller, als es Tom genehm war.
     

Ein triumphaler Augenblick
    Medina fühlte keinen Schmerz. Mitunter nahm er eine hektische Aktivität um sich herum wahr. Aufgeregte Stimmen, grüne Gestalten, die sich rasch bewegten. Dann glitt er weg, weit aus der verzweifelten Kampfzone hinaus, in der die Ärzte um sein Leben rangen.
    Eine Türklingel schrillte, er wälzte sich fluchend aus dem Bett und öffnete das Fenster. Unten auf der Straße standen Victor Kamarov und das Mädchen aus dem Hauseingang.
    »Es ist sieben Uhr früh an einem Samstag!«, beschwerte sich James.
    »Lass uns rein«, sagte Victor.
    James versuchte, das gröbste Chaos in seiner Junggesellenbude zu beseitigen, während er den Gürtel seines Bademantels zuband. Notenblätter, Teller mit halb gegessenen Spiegeleiern, unbezahlte Rechnungen, alles lag heillos durcheinander. Es war sinnlos. Victor und das Mädchen mit den Lackstiefeln standen bereits im Türrahmen.
    »Entschuldigt die Unordnung, aber ich habe keinen Besuch erwartet.«
    »In der Koppstraße konnten wir nicht bleiben, wir haben uns mit Wiens schlimmstem Zuhälter angelegt.« Victor zeigte ihm die verletzte Hand.
    James Medina setzte sich auf das Schlafsofa und versuchte, die Situation zu erfassen. »Du willst mit einer kaputten Hand an einem internationalen Klavierwettbewerb teilnehmen?«
    »Ich brauche was Schmerzstillendes, was richtig Saftiges. Bis Gras über die Sache gewachsen ist, müssen wir hier bei dir unterschlüpfen.«
    »Wir?«
    »James, bitte hilf mir, nur dieses eine Mal. Du wirst es nicht bereuen!«
    James Medina zog sich an und verließ die Wohnung. Zwei Stunden später kam er mit einer Tüte voller Medikamente zurück, einem Paar Damenjeans, einem Top, Haarfärbemittel und einer Schere. Als sie in die Straßenbahn Richtung Musikverein stiegen, sahen Victor und Gina sogar einigermaßen präsentabel aus.
    Aus Gina war eine Blondine geworden, und Victor hatte sich einen von Medinas feuerroten Tenorschals geliehen. Durch eine dreifache Dosis Aporex war er nahezu schmerzfrei. Er hielt die rechte Hand konstant in Bewegung, während er die schwierigen Passagen der h-Moll-Sonate memorierte. Sein Blick war starr und eiskalt, wie der eines sibirischen Huskys. James war nicht sicher, ob es an dem Schmerzmittel lag oder an Kamarovs Konzentration, aber als sie vor dem imposanten Gebäude des Musikvereins standen, ahnte er etwas von der wahnsinnigen Entschlossenheit, die seinem neuen Freund zu eigen war. Er ist ein Raubtier, dachte James.
    Sie wünschten ihm viel Glück, und dann trennten sich ihre Wege. James und Gina bekamen für eine vertretbare Summe zwei Stehplätze in dem prachtvollen Goldenen Saal, in dem der Wettbewerb stattfinden sollte, ein Saal, in dem mehr als eintausendsiebenhundert Zuhörer Platz fanden und der berühmt war für seine fantastische Akustik.
    Die Luft knisterte. Die Zuhörer waren sichtlich gespannt. Ein Raunen ging durch den Saal, als Victor Kamarov die Bühne betrat. Gina knetete vor Aufregung ihre Hände und wiederholte immer wieder ihr Gebet. James nickte bewundernd. Du durchtriebener Satan! Victor hatte James’ Tenorschal umfunktioniert und trug den rechten Arm in einer roten Schlinge.
    Er verbeugte sich vor dem Jurorenpodest, danach zum Publikum, ehe er sich auf den Klavierhocker setzte. Von dem er sich kopfschüttelnd wieder erhob, um die Höhe zu korrigieren. Mit einer Hand am Höhenregler und der rechten nach wie vor in der Schlinge, drehte er das Rad konzentriert hin und

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