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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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Warum sollte er bei Ihnen einbrechen?«
    Tom zögerte. Dass Kamarov seinen Verdacht gegen Maier so kategorisch abwies, bestärkte ihn in seinen schlimmsten Ahnungen: Kamarov hatte etwas mit der Sache zu tun. »Ich weiß es nicht. Jedenfalls ist in meinem Hotelzimmer eingebrochen worden, und nur Ihren Angestellten ist bekannt, dass ich dort wohne.«
    »Das kann ein Zufall sein. Sie haben Rudi Maier im Flugzeug gesehen, obgleich er nachweislich hier war. Sie haben einem Einbrecher ein blaues Auge verpasst, aber Rudi Maier hat nicht einen einzigen Kratzer. Ich erwarte mehr von Ihnen, Hartmann.«
    Tom stand auf. Er war verwirrt. Wurde er langsam verrückt, oder war das der Alkohol? »Soll ich dann nur noch schreiben?«
    »Nein, suchen Sie weiter, aber überlassen Sie mir die Entscheidungen, wie mit den Ergebnissen umzugehen ist.«
     

Am Scheideweg
    Sie hatte den ganzen Tag mit Rückenschmerzen im Bett gelegen. Es waren nur noch wenige Wochen bis zum errechneten Termin, dennoch verspürte Anna keinerlei Vorfreude auf das bevorstehende Ereignis. Sie war kreuzunglücklich. Ihr Körper war während der Schwangerschaft aus den Fugen geraten, und Victor gab ihr bei jeder Gelegenheit zu verstehen, wie unattraktiv sie für ihn geworden war und dass er sich mittlerweile mit anderen Frauen vergnügte. In Russland machen wir das so , lautete sein Refrain.
    Jetzt hörte sie seinen Wagen in der Einfahrt halten. Er ging über den geschotterten Weg zum Haus. Gleich würde er rufen: Anna, ich bin zu Hause! Komm runter! Das war der Augenblick, auf den sie den ganzen Tag gewartet hatte und vor dem ihr graute. Trotzdem: Es musste geschehen. Heute. Sie war an einem Scheideweg angekommen und musste sich für eine Richtung entscheiden.
    Anna stand auf, etwas zu schnell. Ihr wurde schwarz vor Augen, und sie musste sich an der Wand abstützen. Der Arzt hatte gesagt, sie habe zu niedrigen Blutdruck. Vielleicht lag es aber auch an dem Gespräch, das vor ihr lag. Ein letztes Mal wollte sie Victor klarmachen, wie unglücklich sie war. Und wenn das nicht half, würde sie so schnell wie möglich zurück nach Stockholm ziehen. Sie betrachtete sich selbst im Spiegel. War sie wirklich so unattraktiv, wie Victor behauptete? Die Frau, die sie aus dem Spiegel ansah, war ihr fremd geworden. Ihr Gesicht war aufgedunsen und wirkte viel älter, als es tatsächlich war.
    »Anna, komm runter!«
    Als sie über die Galerie zur Treppe ging, versuchte Anna tapfer, ihre Kräfte für die Konfrontation mit Victor zu sammeln, doch der vielstimmige Chor des Zweifels bombardierte ihre Nerven. Würde es ihr gelingen, ihr Leben wieder in die eigene Hand zu nehmen? Trotz ihres engagierten Versuchs, Haltung zu bewahren, zitterte ihr Körper unkontrolliert.
    Victor stand unten am Fuß der Treppe, machte aber keine Anstalten, ihr entgegenzukommen, um ihr nach unten zu helfen. Die Galerie lag im Dunkeln und das Licht, das unten brannte, blendete sie und ließ Victors Silhouette groß und bedrohlich wirken.
    »Hast du wieder den ganzen Tag im Bett gelegen?« Victor klang verärgert.
    »Ich habe Rückenschmerzen. Das Kind presst gegen einen Wirbel.« Schon wieder war Anna in der Defensive. Erneut wurde ihr schwindelig.
    »Du siehst grauenvoll aus!« Victor schüttelte den Kopf.
    Anna tastete nach dem Geländer, griff daneben. Gleichzeitig trat sie mit dem rechten Fuß ins Leere und stürzte vornüber. Sie überschlug sich und knallte mit dem Nacken auf den Boden. Der Sturz kam ihr wie eine Ewigkeit vor, und sie glaubte, Victor lachen zu hören. Dann Stille. Sie lag reglos und mit offenem Mund auf den unteren Treppenstufen.
    Einen Augenblick lang stand Victor wie gelähmt da. »Anna?« Er ging wie ein Schlafwandler auf sie zu. Legte seine Finger an ihren Hals, um ihren Puls zu fühlen. Er war sehr schwach.
    »Anna?« Mit der flachen Hand tätschelte er ihre Wange, um sie zu wecken.
    Keine Reaktion.
    Er trat an den Barschrank und nahm die Mahagonischachtel heraus, in der er seine Zigarren aufbewahrte, wählte eine Davidoff, befeuchtete sie mit den Lippen und zündete sie an. Dann inhalierte er den parfümierten Rauch und hielt ihn zwischen Kehlkopf und Gaumen, bis er den leichten Schwindel spürte.
    Er hockte sich neben Anna und nahm ihre Hand. »Anna?«
    Würde sie sterben? Vermutlich sanken ihre Überlebenschancen mit jeder Minute, die er zögerte. Trotzdem konnte er sich nicht aufraffen, etwas anderes zu unternehmen, als dicke Rauchringe in Richtung Decke zu paffen, an der

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