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Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Titel: Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Clark
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hinterher laufen konnte, und die Einsamkeit wäre an einem fremden Ort leichter zu ertragen.
    Eine Minute später fuhr sie an den Straßenrand.
    »Ich ruf dich an«, sagte sie.
    »Gut.« Ich stieg aus, klopfte aufs Wagendach und nickte dem Türsteher zu, der grüßte und mir die Tür aufhielt.
    Ich hätte an der Bar essen können, entschied mich aber für ein einsames, gepflegtes Festmahl. Der Speisesaal war geräumig, aber immer noch gemütlich, und das Ambiente mit den warmen, weichen Farben, der sanften Beleuchtung und den weißen Tischdecken hatte etwas Beruhigendes. Ich bat um einen Platz in der Ecke, mit dem Rücken zur Wand.
    Ein Kellner, der die schmale Weste zu tragen wusste, reichte mir die Speisekarte und nahm meinen Getränkewunsch entgegen. Ich beschloss, mir eine Flasche alten Pinot Noir zu gönnen.
    Ein paar Minuten später kam er wieder und goss mir einen Schluck ein. Ausgezeichnet. Er füllte mein Glas, und ich bestellte eine gegrillte Artischocke als Vorspeise. Dann trank ich einen großen Schluck, lehnte mich zurück und spürte, wie die Anstrengung des Tages allmählich von mir abfiel. Ich sah mich im Restaurant um. Aus meiner verborgenen Ecke konnte ich die anderen Gäste unauffällig beobachten.
    Eine ältere Dame um die siebzig, die ebenfalls allein aß und schwer mit Diamanten behängt war, erteilte dem Kellner eine ausführliche Lektion über die Qualität des Brots. Dann gab sie eine umständliche Bestellung auf, einschließlich Anweisungen für die Zubereitung der Gerichte, und krönte sie mit dem Hinweis, das Ganze möge bitte »sofort« gebracht werden. Der Kellner nahm die Bestellung entgegen und verbeugte sich höflich. Ich hatte in der Schulzeit und während des Studiums an der Law School auch ein wenig gekellnert, aber an eine so überhebliche Person wie diese Dame war ich meines Erachtens nie geraten.
    Der Kellner brachte meine Artischocke, und als ich die ersten Blätter abzupfte, hörte ich die Dame reden. Ich wandte den Kopf und sah, dass sie in ein angeregtes Gespräch vertieft war, die Hände gestikulierend, die Miene lebhaft, das Lachen heiter. Ihr gegenüber saß … ein leerer Stuhl. Vollkommen gebannt von der bizarren Szene merkte ich nicht, dass jemand neben mir stand.
    »Rachel?«
    Die vertraute Stimme ließ mich zusammenfahren. Sie gehörte nicht hierher, daher konnte ich sie im ersten Moment nicht zuordnen. Als ich aber aufblickte, sah ich ihn. Er stand da und lächelte.
    Die verflossene Liebe meines Lebens.

49
    D aniel Rose war der Anwalt der Anwälte. Wenn unter Staatsanwälten über den Besten seiner Zunft geredet wurde, dann kam immer sein Name ins Spiel. Seinen überragenden Ruf hatte er irgendwann genutzt, um sich in einer Nische zu etablieren und Strickland-Experte zu werden – ein Anwalt, der Gutachten zur Kompetenz oder Inkompetenz anderer Anwälte anfertigte. Dieser Job führte ihn zeitweise durchs ganze Land, sowohl wegen der Gutachten als auch wegen der vielen Vorträge. Wir hatten uns allerdings in der »Nebensaison« kennengelernt, und so war mir nicht klar gewesen, wie viel er tatsächlich unterwegs war. Nach sechs glückseligen Monaten war er dann plötzlich fort gewesen, und sofort waren meine versteckten Verlassensängste wieder zum Vorschein gekommen. Meine komplementäre Angst vor zu tiefgreifenden Verpflichtungen hatte unsere Liebe dann erstickt. Damals war mir noch nicht bewusst gewesen, dass genau darin das Problem lag. Jedenfalls hatte ich lange gebraucht, um über die Sache hinwegzukommen, und es hatte viele Nächte gegeben, in denen ich nicht glauben konnte, dass es tatsächlich passiert war. Irgendwann waren die Wunden aber vernarbt, und die Narben wurden zu Hornhaut, und ich kam irgendwie damit klar. Und seit es Graden gab, war ich ohnehin der Überzeugung, dass meine Gefühle für Daniel erloschen waren. Als ich ihn aber jetzt sah, mit den blitzenden Augen hinter der Metallbrille, dem dichten, grau melierten Haar, das mittlerweile mehr Grau als Schwarz enthielt, war ich mir da nicht mehr so sicher.
    »Daniel«, sagte ich in dem Bemühen, überhaupt einen Ton herauszubekommen. »Was machst du denn hier?«
    Sein Lächeln war warm. »Dasselbe wie du, nehme ich an.«
    Ich schaute an ihm vorbei, sah aber niemanden.
    »Ich bin allein«, sagte er. »Du auch?«
    Ich nickte, und mir wurde bewusst, dass meine Antwort nicht nur für dieses Essen galt.
    »Darf ich dir Gesellschaft leisten?«, fragte er. »Fühl dich aber nicht verpflichtet, ja zu

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