Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
gewöhnlich brauchte es einen FBI-Experten, um sie zu knacken. Dass diese Aussage nicht verschlüsselt war, deutete eher darauf hin, dass sich hier ein Idiot aufspielen wollte, als dass man es als echtes Bekenntnis eines PEN1-Mitglieds zum Mord an Zack werten konnte.
»Sie haben der Jury vermutlich mitgeteilt, was das bedeutet«, sagte ich.
»Oh ja«, antwortete Larry.
»Haben Sie versucht, Ihrerseits Beweise dafür vorzulegen, dass die Theorie nicht stimmt?«, fragte ich.
»Was hätte ich tun sollen? Skinheads in den Zeugenstand schicken, damit sie sagen, dass sie es nicht waren?«
Ich schüttelte den Kopf. »Vielleicht hätten Sie stärker auf die Jury einwirken müssen. Gab es am Tatort irgendeinen Hinweis darauf, dass außer Lilah noch jemand im Haus war?«
»Nicht wirklich, aber die Jury hat es so hingebogen«, antwortete Larry. »Es gab einen leicht blutigen Fingerabdruck an der Küchenwand, den man ihr nicht zuordnen konnte. Der reichte aber nicht, um irgendjemanden zu überführen oder auszuschließen – auch Lilah nicht. Der Fingerabdruck hätte von jedem sein können, aber die Verteidigung hat einen Riesenzinnober darum gemacht.«
»Oje«, sagte ich.
Larry nickte. »Richtig. Das hat uns sehr geschadet. Ich kann mich noch erinnern, dass ich dachte, jetzt bekommen wir Ärger, als sich die Jury noch einmal eindringlich nach diesem Fingerabdruck erkundigte.«
Ein blutiger Fingerabdruck sah natürlich nach einem Beweis aus, der irgendwie mit dem Verbrechen in Zusammenhang stehen musste. Dass man ihn nicht Lilah zuordnen konnte, war ein harter Schlag. Zusammen mit der Skinheadtheorie der Verteidigung stellte er die Anklage vor große Probleme. Und wenn dann noch eine Nachbarin im Zeugenstand einen Rückzieher machte, war man übel dran, keine Frage.
»Wer hat Lilah verteidigt?«, fragte ich.
»Mike Howell. Kennen Sie ihn?«
»Oh ja.«
Mike und ich waren zur selben Zeit eingestellt worden und hatten gemeinsam die Ausbildung durchlaufen. Nach über hundert Prozessen hatte er schließlich den finanziellen Verlockungen und der höheren Flexibilität der privaten Anwaltstätigkeit den Vorzug gegeben. Mike und ich verstanden uns immer noch gut, und es wäre schön, seine Meinung zu dem Fall zu hören. Die Bindung zwischen Anwalt und Mandant währte allerdings ein Leben lang – manchmal sogar noch länger –, und so versprach ich mir nichts von einem Gespräch.
»Der Fall war vertrackt, aber trotzdem. Bei einem anderen Anwalt hätte diese Verteidigungsstrategie wahrscheinlich nicht gezogen.« Larry verlor sich in Gedanken.
Wir wechselten einen wissenden Blick. Mike gehörte zu denjenigen, die immer fair blieben, aber er war zweifellos auch einer der Besten im Geschäft. Er wusste, wie man die Schwachstellen der Anklage ausnutzte und eine Jury beeinflusste. Ihn einen guten Gegner zu nennen war, als würde man Bill Gates als »finanziell gutgestellt« bezeichnen.
»Das ist aber noch nicht alles«, sagte Larry. Er blätterte in der Akte und zog dann ein einzelnes Foto heraus.
Lilah sah mich an. Helle Haut, eine glänzende Haube schwarzer Haare, große blaue Augen. Das war nicht einfach eine Frau, nach der man sich umdrehte. Sie war absolut überwältigend. Ich verglich das Foto mit der Frau, die ich aus der Videoaufnahme kannte. Die Unterschiede waren minimal, aber beabsichtigt, das spürte ich. Die Frau auf dem Video hatte bedeutend längere Haare und war ein bisschen dünner. Sah man aber genau hin, war zu erkennen, dass die Form von Gesicht und Kopf identisch war. Wochenlang hatte die Jury dieses Gesicht vor Augen gehabt und es mit dem grausamen Mord in Verbindung zu bringen versucht. Die Skinheadgeschichte hatte ihr dann die willkommene Möglichkeit geliefert, diesen Widerspruch aufzulösen.
»Hat sie vor Gericht ausgesagt?«, fragte ich.
»Darauf können Sie wetten«, sagte Larry verbittert.
»Und sie hat das gut über die Bühne gebracht.«
»Ziemlich gut sogar.« Er schaute aus dem Fenster, und seine Kiefernmuskeln verkrampften sich. Sein Tonfall legte nahe, dass ich mich besser an jemand anderen wandte, sollte ich auf eine akkurate Schilderung ihres Auftritts hoffen.
»Haben Sie eine Idee, wo wir sie finden könnten?«, fragte Bailey.
Larry schüttelte den Kopf und stand auf. Das Gespräch war offenbar beendet. »Nein. Nach dem Freispruch hat sie sofort die Zelte abgebrochen und ist verschwunden. Niemand hat sie mehr gesehen.« Er lachte, ein freudloses Bellen. »Bis jetzt
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