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Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Titel: Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Clark
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jedenfalls.«
    Er begleitete uns in den Empfangsbereich und gab uns die Hand. »Ach so, wollen Sie noch den Witz des Jahrhunderts hören?«, fragte Larry.
    Ich blieb stehen und schaute ihn an.
    »Lilah hat während des Jurastudiums ein sechsmonatiges Praktikum absolviert«, sagte er.
    »Wo ist da der Witz?«, fragte ich.
    »Sie hat es bei der Staatsanwaltschaft gemacht.«

29
    B ailey und ich kehrten schweigend zum Auto zurück. Als wir gekommen waren, hatte ich die Landschaft beruhigend gefunden, jetzt fand ich sie nur noch trostlos. Wir fuhren über das freie, mit Agaven bewachsene Land in Richtung Freeway.
    »Ein Praktikum bei der Staatsanwaltschaft. Da können wir uns wirklich was drauf einbilden«, sagte ich sarkastisch. »Sie hat also Erfahrungen im Strafrecht gesammelt.«
    »Genug jedenfalls, um zu wissen, wann sie am besten den Mund hält«, stimmte Bailey zu.
    »Ich werde mal nachschauen, was wir über sie haben«, sagte ich. »Da sich Praktikanten aber nicht mit komplizierten oder heiklen Angelegenheiten befassen, verschwenden wir nicht viel Zeit darauf, sie zu checken.«
    Bailey nickte bloß. Keine von uns war sehr gesprächig.
    Larrys Reaktion auf die Nachricht von Simons Tod konnte ich gut verstehen. Obwohl Opfer nie bloß ein Kreideumriss für mich waren, wurden die Farben erst allmählich ergänzt. Schicht um Schicht wurden die Erinnerungen und Gefühle der Angehörigen aufgetragen, bis sich ein nuancenreiches Bild ergab. Mehr noch als seine Worte hatten mir die Emotionen in Larrys Stimme gezeigt, dass Simon eine liebenswerte, freundliche Person gewesen war, die vom Tod des Bruders – lange vor seinem eigenen Tod – und von der Ungerechtigkeit des Urteils tödlich verletzt worden war. Das Bild von der Vase, die er Johnnie geschenkt hatte, diese schlichte Schönheit und Unschuld trieben mir die Tränen in die Augen.
    Wieder wand sich der Freeway über die niedrigen Bergpässe, aber da die Sonne mittlerweile hinter dem Horizont versunken war, hüllten sich die Täler jetzt in Dunkelheit und wirkten geheimnisvoll und abweisend. Als Bailey schließlich etwas sagte, spürte ich, dass ihre Gedanken einen ähnlichen Weg genommen hatten.
    »Wir müssen mit den Bayers sprechen, das ist dir klar, oder?«
    Ich seufzte. »Weißt du, ob sie noch mehr Kinder hatten?«
    »Hatten sie nicht«, sagte sie knapp.
    Also hatten sie ihre einzigen Kinder innerhalb von zwei Jahren beide durch Mord verloren. Ich konnte mir vage vorstellen, was sie durchmachen mussten.
    Es war siebenundzwanzig Jahre her – ich wurde damals gerade sieben –, dass meine ältere Schwester Romy verschwunden war. Ich hatte mich gefühlt, als hätte man mir die Seele aus dem Leib gerissen. Nicht nur dass ich meine beste Freundin verloren hatte, ich hatte mich auch schuldig gefühlt. Angeblich wuchsen Familien durch eine solche Tragödie zusammen. Für meine galt das nicht. Wir sind immer weiter auseinandergedriftet, bis jeder in seinem Universum des Leidens verschwand. Mein Vater verlor sich im Alkohol und im Vergessen, das er vermutlich auch suchte, als er mit dem Auto von einer vereisten Brücke abkam. Meine Mutter war noch da, zunächst aber nur in einem physischen Sinn. In den Jahren nach dem Tod meines Vaters verirrte sich ihr Geist, und die Welt geriet aus dem Fokus. Immer noch verspüre ich Panik, wenn ich mich an ihren abwesenden Blick und diesen permanenten Zustand der Verwirrung erinnere. Finstere Jahre waren das. Ich fühlte mich so einsam, dass ich immer träumte, gegen das Ertrinken anzukämpfen, erschöpft und allein mitten im Ozean.
    Beide Kinder zu verlieren, und dann noch durch Mord, musste schier unerträglich sein. Ich wünschte, wir müssten nicht lauter Fragen stellen, die schmerzhafte Erinnerungen auslösen würden. Die Geschichte, wie Simon auf der Straße gelandet war, könnte aber entscheidende Informationen für die Lösung des Falls liefern, und seine Eltern waren vermutlich die beste Quelle dafür.
    Als wir schweigend durch die sich immer weiter verfinsternden Hügel fuhren, ging ich im Geiste das Gespräch mit Larry noch einmal durch.
    »Larry hat nichts über das Motiv gesagt«, stellte ich dann fest.
    »Das ist mir auch aufgefallen«, sagte Bailey. »Kann es um Geld gegangen sein?«
    »Wohl kaum«, sagte ich und runzelte die Stirn. »Sie war es doch, die das Geld hatte. Als Juniorpartnerin hat sie vermutlich nicht übermäßig viel verdient, aber wenn sie dortgeblieben wäre, hätte sie ihn bald schon um Längen

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