Toedlicher Blick
dazu bereit ist.«
»Er muss mit einer Anklage wegen Mordes rechnen, wenn er’s nicht tut. Wenn das Blut in seinem Appartement von dem Mädchen stammt.«
»Vielleicht sollte ich den Babysitter bei ihm machen«, sagte Del. »Mich an sein Krankenbett setzen und warten, bis er aufwacht.«
»Keine schlechte Idee«, stimmte Lucas zu. »Der Erste, der mit ihm spricht, knackt wahrscheinlich den ganzen Fall.«
Sie blieben noch eine Weile, bis die Leiche geborgen und der ganze Container auf eventuelle weitere Spuren durchsucht war. Als das Team des Gerichtsmediziners die Leiche abtransportierte, sagte Davis: »Wir werden dem Labor Dampf machen, damit wir noch heute Morgen erfahren, ob das Blut in Withcombs Appartement von der Leiche stammt. Aber es dauert natürlich immer eine Weile, bis man die Leute frühmorgens an die Arbeit kriegt …«
»Sie rufen mich an?«, fragte Lucas.
»Meine Schicht ist bald zu Ende. Allport wird das übernehmen.«
»Okay, ich rufe
ihn
an.«
»Sagen Sie mal, wie viele Morde hatten Sie in diesem Jahr in St. Paul?«, fragte Del.
»Ich glaube, das ist der fünfte«, antwortete Davis.
»Oje, wir hatten auch nur zehn in den letzten drei Monaten«, sagte Del. »Keiner bringt mehr einen Mitmenschen um. Selbst Raubüberfälle nehmen ab.«
»Ist bei uns genauso. Auch die Drogendelikte werden weniger. Nur Vergewaltigungen halten das Süppchen noch am Kochen.«
»Ja, Vergewaltigungen sind noch ein Lichtblick«, stimmte Del zu.
»Unsere Bosse reden dauernd von Konsolidierung – wollen Kollegen aus der Gewaltkriminalität rausnehmen und zu den Eigentumsdelikten versetzen«, sagte Davis. »Einige von unseren Kripo-Cops haben schon Angst, wieder Streifendienst schieben zu müssen.«
»Es soll nicht beleidigend klingen, aber ich könnte einfach nicht zurück in den Streifendienst«, sagte Del und schüttelte sich. »Streifendienst, Mann – ich bedauere euch Jungs.«
»Na ja, uns gefällt’s, denk ich. Man trifft nicht auf viele Arschlöcher.«
»Meinen Sie jetzt bei der Polizei oder bei den Verbrechern?«, fragte Del.
»Bei beiden Gruppierungen«, sagte Davis, und sie alle lachten, und Lucas sagte: »Diese Bemerkung werde ich im Gedächtnis behalten.«
Lucas fuhr nach Hause, zog den Stecker des Telefons im Schlafzimmer aus der Dose, machte die Tür zu und ließ sich mit dem Gesicht nach unten aufs Bett fallen. Als er aufwachte, war es schon zehn Uhr vorbei. Er stöhnte, rappelte sich auf, rasierte sich, duschte und fuhr dann zum Dienst.
Marshall sprach gerade mit Marcy, als Lucas ins Büro kam. Er stand auf und fragte: »Ich habe von der Frauenleiche in dem Müllcontainer gehört. Was halten Sie davon?«
»Ich muss erst mal in St. Paul anrufen. Sie wollten untersuchen, ob das Blut in Randys Haus von der Frauenleiche stammt – ich bin zu fünfundneunzig Prozent sicher, dass es so ist. Ich rufe Allport an, ob das Ergebnis inzwischen vorliegt.«
Allport hatte das Ergebnis: »Die Frau wurde in Withcombs Haus getötet, das Blut an der Wand stammt von ihr«, sagte er. »Irgendwie gibt mir das ein besseres Gefühl im Hinblick auf die Ereignisse von gestern – die Ärzte geben Randy weiter Steroide, aber die Rückenmarkssache sieht verdammt schlecht aus. Sie glauben nicht, dass er jemals wieder wird gehen können.«
»Aber er wird doch bald wieder sprechen können, oder?«, fragte Lucas.
»Heute wohl noch nicht. Sie halten ihn unter Betäubungsmitteln, bis sie seine Wirbelsäule noch einmal operiert haben – und das werden sie heute Nachmittag versuchen. Sie nehmen an, dass ein Stück Gewebe, das sie beim ersten Mal nicht entdeckt haben, von außen ins Rückenmark eingedrungen ist. Könnte ein kleines Stück Haut sein, das durch die Wirkung des Geschosses ins Rückenmark gedrückt worden ist.«
»Wird er morgen sprechen können?«
»Ich weiß es nicht. Er könnte morgen tot sein.«
»Die Gefahr besteht doch nicht wirklich, oder?«
»Nein, das nicht, aber … Mann, die Ärzte sagen einem nicht viel. Er ist schwer verletzt, und sie können uns nicht sagen, wann wir mit ihm reden können.«
»Es ist wie in einem von diesen verdammten Fernsehfilmen«, sagte Lucas. »Als Nächstes fällt er aus dem Bett, schlägt mit dem Kopf auf und hat ab diesem Moment totalen Gedächtnisschwund …«
Lucas sagte Marshall, was er gerade von Allport gehört hatte. Marshall schüttelte den Kopf. »Ich würde tausend Dollar dafür geben, wenn man das, was gestern abgelaufen ist, ungeschehen machen könnte«,
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