Toedlicher Blick
sagte er. »Dass der Kerl so schwer verletzt wurde …«
»Er ist ein Super-Arschloch.«
»Das ist mir scheißegal. Es ist Ihr Problem, wen Sie als Arschloch betrachten. Mein Problem ist, dass ich einen Namen von ihm hören will. Er soll mir den Namen sagen, und danach soll er meinetwegen, Arschloch oder nicht, von einer Dampfwalze überrollt werden. Aber ich will erst diesen Namen hören.«
»Haben Sie sich um diese St.-Patrick-Party gekümmert?«
»Ja. Ich habe jeden einzelnen Namen aus der von Mrs. Qatar zusammengestellten Liste in einen Laptop eingegeben, die Diskette dann Harmon in die Hand gedrückt, und er hat sie gestern Abend abgecheckt. Es ist nicht viel dabei rausgekommen – aber wir sind auf eine recht interessante Sache gestoßen. Sie haben am College eine Zeitschrift für ehemalige Studenten –
Shamrock
nennt sich das Käseblättchen. Darin hatte man mehrere Fotos von dieser Party veröffentlicht, und darauf sind all diese Frauen zu sehen, wie sie auf dem Rasen zusammenstehen, und sie alle tragen Namensschilder. Wenn unser Mann also auch auf der Party war und Fotos gemacht hat, wusste er nachher, welche Frauen er geknipst hatte, und er brauchte keine nach ihrem Namen zu fragen. Oder auch nur irgendeinen Smalltalk mit ihnen abzuziehen.«
»Verdammt«, sagte Lucas. »Aber das hilft uns nicht viel. Wie viele Männer standen auf der Liste?«
»Rund hundertfünfzig. Harmon ist noch dabei, sie nach ehemaligen Sexualstraftätern zu durchsuchen.«
Del rief aus dem Hospital an. »Sie haben mich kurz zu Randy reingelassen, und er ist wirklich in einem erbärmlichen Zustand. Er gibt hin und wieder mal irgendein gottverdammtes Stöhnen von sich, aber das ist auch schon alles. Seine Angehörigen haben einen Rechtsanwalt eingeschaltet, und sie haben mich wüst beschimpft … Ich weiß nicht, aber hier herrscht ein wildes Durcheinander, und …«
»Du kommst am besten wieder zurück«, sagte Lucas.
»Ja. Hier tut sich nichts mehr, es sei denn, er beißt ins Gras.«
»Allport meint, dieses Risiko würd’ nicht bestehen.«
»Na, ich weiß nicht«, sagte Del. »Die Ärzte sagen, er sei so mit Drogen voll gepumpt, dass sie neben allem anderen gegen Entzugssymptome ankämpfen müssen. Er hat Heroin und Kokain im Blut, vielleicht auch PCP – er hat sich das Zeug mit einem Inhalationsgerät in die Lungen geknallt. Was für ein dämlicher Typ …«
Marcy und Marshall fuhren nach St. Paul, zur ersten Sitzung der Task-Force zu dem Kriminalfall, den die Zeitungen und Fernsehstationen inzwischen nur noch »Totengräber-Fall« nannten. Ein Moderator von Kanal acht hatte die Bezeichnung erstmals verwendet, Kanal drei hatte sie übernommen und seine Berichte mit der grafischen Darstellung eines der Gräber angereichert, zum Schluss hatten auch die Zeitungen den Begriff verwendet. Der Name passte gar nicht schlecht.
Als die beiden gegangen waren, beschäftigte Lucas sich wieder einmal mit den immer dicker werdenden Papierstapeln zu dem Fall, ohne jedoch neue Erkenntnisse zu gewinnen. Zum Mittagessen verließ er das im Rathauskomplex untergebrachte Polizeipräsidium und stellte fest, dass sich wieder eine geschlossene Wolkendecke gebildet hatte und ein widerlich kalter Wind durch die Straßen pfiff. Als er nach dem Essen frierend und feucht vom Regen ins Rathaus zurückkehrte, lief er zunächst ziellos herum, besuchte Lester und Sloan, ging dann durch den so genannten »Geheimtunnel« hinüber zur Gerichtsmedizin und führte mit einem der Ermittlungsbeamten ein Fachgespräch über Strangulierungen.
Um zwei Uhr war er zurück im Büro. Weather rief an und fragte: »Was hältst du davon, wenn wir die Capslocks und die Sloans morgen Abend zum Essen einladen? Es gibt Hummer.«
»Okay, aber das ist eine recht kurzfristige Einladung«, sagte er.
»Die beiden Ehepaare haben doch abends kaum mal was vor. Und wir haben uns elend lange nicht mehr getroffen.«
»Na ja, wer weiß«, sagte er, »vielleicht ist morgen Abend unser Fall abgeschlossen …«
Aber das glaubte er nicht wirklich. Es sah eher so aus, als ob die Ermittlungen ins Stocken geraten wären. Alles konzentrierte sich auf Randy, und der hatte sich in ein Wolkenkuckucksheim der ganz besonderen Art abgesetzt.
18
Die Ermordung der namenlosen Hure in Randy Withcombs Haus brachte eine vorübergehende trügerische Ruhe in James Qatars Seele. Er spielte die Szene alle paar Minuten im Geist durch, vor allem die letzten Sekunden, als er sich über sie beugte und sie
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