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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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zu zittern begann …
    Es ist tatsächlich das Töten, dachte er. Verrückt …
    Er hatte immer gedacht, es sei der Sex, und das Töten sei die Bestrafungsaktion für die sexuelle Enttäuschung, die die Frauen ihm bereitet hatten. Jetzt wusste er es besser. Inzwischen hatte er alle sexuellen Praktiken, die ihm auch nur im Entferntesten eingefallen waren, mit Barstad durchgespielt. Und fand das alles definitiv langweilig. Es ist der Akt des Tötens, dachte er, und es ist gut –
gut! –,
dass das jetzt geklärt ist …
    Er suchte nach einer Metapher. Die Erkenntnis der wahren Natur des Bösen in ihm war, so meinte er schließlich, das psychologische Äquivalent zu einem ersten Schluck von einem edlen französischen Weißwein, angemessen kühl, angemessen trocken; der Hauch einer intellektuellen Verwirrung vielleicht, aber es kam dann zu dieser wunderbar klaren, reinen Reaktion im Bereich der Sinnlichkeit …
    Er wollte das bald wieder erleben.
    Barstad.
    Sie trafen sich zweimal in der Woche, und der Sex hatte das Stadium des Enthusiasmus längst überschritten, verlor sich im Gestrüpp komplizierter Variationen. Diese Entwicklung war, wie er es beurteilte, für ihn weniger unterhaltsam als erstaunlich. Beim letzten Mal hatte er sie mit einem Tischtennisschläger verprügelt, bis ihr Hintern feuerrot gewesen war, und dennoch hatte sie seinen Einsatz nicht als angemessen betrachtet. Der Schmerz, hatte sie gesagt, sei nur bis zur Peripherie vorgedrungen und nicht bis ins Zentrum ihrer Lust, wo sie ihn so gern verspürt hätte. Das hatte, wie er meinte, wie der Versuch eines französischen Literaturtheoretikers geklungen, sich über Sex zu äußern.
    Heute würde es anders sein, dachte er. Das Starterseil steckte in der Gesäßtasche seiner Hose, als er bei ihrer Wohnung ankam, und auf der Rückbank seines Wagens lagen ein Spaten und ein großer Müllsack. Er würde sie weit draußen auf dem Land irgendwo vergraben, und man würde sie niemals finden. Wenn die Polizei ihr Verschwinden dem »Totengräber« zuschrieb, sollte ihm das egal sein.
    So manches war ihm inzwischen egal. Das Gefühl der Macht durchpulste ihn wieder. Auch sein neuer Name in den Medien gefiel ihm: »Der Totengräber«. In Ordnung. Er pfiff ein Lied vor sich hin, als er auf Barstads Wohnungstür zuging.
    Sie war nackt, als sie ihm öffnete. Sie zog die Tür auf, sah ihn mit gesenkten Augenlidern an, sagte: »Ich habe schon mal angefangen, James.«
    »Das sehe ich«, sagte er.
    »Und ich habe auch einen neuen Film. Ein DVD-Video. Ich habe die Couch weggeschoben, so dass wir den Futon vor den Fernseher legen können.«
    Erst der Sex, dachte er. Ja, erst der Sex, und wenn er sich von allen abschweifenden Emotionen, die der Sex mit sich brachte, gelöst hatte, würde er umso intensiver die klare, kühle Strangulation genießen können. Alldem liegt durchaus eine gewisse Ästhetik zugrunde, ging ihm durch den Kopf.
    Sie begannen mit dem Film und dem Vorspiel, gingen zu oralem Sex über, kamen dann zu den komplizierteren Feinheiten. Mittendrin schweiften seine Gedanken ab, und er sah hinunter auf ihren Hals, dann zu seiner Hose mit dem Seil hinüber. Sie lag außerhalb seiner Reichweite, und er sah sich im Moment nicht in der Lage, sich von Barstad zu lösen. Er machte also weiter, sah hinunter auf ihren Hals und die delikate Furche an ihrer Wirbelsäule, spürte bereits eine Ahnung des wilden Erschauerns, das ihm bevorstand …
    Sie hatte ihren Orgasmus, und er hatte seine Ejakulation, und dann lagen sie nebeneinander da, sie mit dem Kopf auf seiner Brust. Sie war immer auf einen baldigen zweiten Durchgang aus, hatte ihn sogar zu chemischer Unterstützung in Form von Viagra gedrängt. O ja, er
würde
eine zweite Chance für den Einsatz seines Seiles bekommen … Was war eigentlich, überlegte er, wenn man eine Frau in dem Moment strangulierte, in dem sie einen Orgasmus hatte? Würde der Orgasmus abrupt abbrechen? Würde er dann das Strangulieren abbrechen?
    »James«, murmelte sie an seinem Hals, »ich fürchte, ich werde dich sehr, sehr unglücklich machen. Wenn du mich dafür bestrafen willst, würde ich das akzeptieren. Aber zuerst musst du mich anhören.«
    Er drehte den Kopf von ihr weg, sagte nichts. Was soll das, dachte er.
    »Die Zeit ist gekommen, in ein neues Stadium der sexuellen Experimente einzutreten.« Sie hatte sich bei Gesprächen über Sex stets sehr förmlich ausgedrückt, so, als würde sie darüber Buch führen. Was würde sie tun,

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