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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Appartement beisammen gewesen, und die Eltern hatten verzweifelt auf einen Anruf gewartet, von ihrer Tochter, von irgendjemandem, und er hatte sich inzwischen in der Wohnung umgesehen …
    Das Appartement befand sich in einem sechsstöckigen Backsteingebäude aus den dreißiger Jahren südlich des Highway-Rings, und Aronsons Mutter hatte ihn unter der Wohnungstür erwartet, als er die Treppe hochgekommen war.
    »Wir danken Ihnen für Ihr Kommen«, hatte sie gesagt. Er erinnerte sich, dass es im Treppenhaus nach Farbe, Desinfektionsmitteln und Insektenspray gerochen hatte, in der Wohnung jedoch nach Weihnachtsgebäck.
    Und nach Mord. Ein Team der Spurenermittlung war über sie hergefallen und hatte ein Chaos hinterlassen. Alle Schranktüren waren geöffnet; ebenso alle Kommodenschubladen und Truhen, Schachteln und Koffer. Die allgemeine Atmosphäre von Trostlosigkeit, Unordnung und verletzter Privatsphäre war durch das Licht, das die Räume durchflutet hatte, noch verschlimmert worden: Die Spurenermittler hatten alle Vorhänge aufgezogen, um so viel Helligkeit wie möglich hereinzulassen, und am Tag von Lucas’ Besuch war das Licht sehr grell gewesen.
    Vier Räume: Wohnzimmer, kleine Küche, Schlafzimmer und Badezimmer. Lucas war herumgegangen, die Hände in den Hosentaschen, hatte sich die Überreste eines kurzen eigenständigen Lebens angesehen: Stofftiere auf dem Bett; ein Poster vom »Planet der Tiere«– Jaguar im Dschungel – auf der grün gestrichenen Gipswand; eine aufblasbare Plastikstatue aus »The Scream«; Nippes-Sachen auf Regalen, dazu Fotos – meistens von Leuten, die nach Eltern oder Geschwistern aussahen …
    »Nippes«, sagte er laut durch das Fenster des Tahoe zu den vorbeirauschenden Wagen des Gegenverkehrs. Er hatte gespürt, dass diese Frau einsam und verschüchtert gewesen war – sie hatte Nippes-Sachen um sich arrangiert, um eine Atmosphäre zu schaffen, in der sie freundschaftliche Zuneigung verspüren konnte. Er hatte damals auch in ihrem Medizinschränkchen nach Anti-Baby-Pillen gesucht, aber keine gefunden.
    Nach der Karte lag die Fundstelle der Leiche auf einem Hügel südlich von Hastings. Alle Straßen war gut ausgeschildert, aber er verfuhr sich trotzdem, verfehlte eine Abzweigung, versuchte eine Abkürzung über einen Feldweg, landete prompt im Nichts, musste umkehren. Schließlich aber erreichte er einen Parkplatz, den man angelegt hatte, um Anglern Zugang zu einem Forellen-Bach zu ermöglichen. Oberhalb dieses Parkplatzes, hatten die Cops des Morddezernats gesagt, halb den Hügel hinauf und dann rund fünfzig Meter nach Süden, sei die Leiche gefunden worden. Direkt unterhalb der Fundstelle liege ein Dreieck aus umgestürzten Baumstämmen; die Cops hatten sie als Sitzbank benutzt.
    Alles war noch nass vom Regen, und der Boden des mit Eichenlaub bedeckten Hanges war schlüpfrig. Er stieg langsam durch die kahlen Schösslinge bergan, fand das Dreieck aus umgestürzten Bäumen, entdeckte die flache Grube im Hang und die Spuren der Cops, die dort ihre Arbeit verrichtet hatten. Der Regen hatte die Grube ausgewaschen, und Blätter hatten sich darin angesammelt. In zwei Wochen hätte er die Stelle wahrscheinlich nicht mehr genau lokalisieren können.
    Er ging ein Stück weiter seitlich den Hang entlang, dann hoch zum Kamm des Hügels; laut Karte mussten Häuser in der Nähe sein, aber er konnte sie nicht sehen. Wer auch immer die Leiche hier versteckt hatte, er hatte diesen Ort gezielt ausgesucht. Die Grube war einfach nur ein wenig zu flach gewesen, und ein Hund war auf sie gestoßen – oder Coyoten. Und dann hatte dieser Jäger auf der Suche nach Truthähnen die Leiche entdeckt …
    Und das war auch schon alles. Bis auf das Rauschen des Windes in den Bäumen.
    Auf dem Rückweg zur Stadt rief er Marcy an und sagte ihr, er habe ein paar Stunden in der Stadt zu tun, um mit ein paar Leuten zu reden und sich ein bisschen umzuhören.
    »Hast du Angst, deine Kontaktleute in der Stadt kämen nicht ohne dich aus?«
    »Ich brauche Zeit, über den Fall nachzudenken«, sagte er. »Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, den Fernsehleuten die Zeichnungen zu überlassen, aber ich sehe keine Möglichkeit, wie wir die Sache anders anpacken könnten.«
    »Ja, wahrscheinlich ist das unsere beste Chance.«
    Lucas verbrachte den Rest des Vormittags und den frühen Nachmittag damit, durch die Stadt zu schlendern und seine Kontaktleute abzuklappern. Er dachte dabei an den Aronson-Mordfall, an die

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