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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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in ihrer Börse, und er steckte sie ein. In ihrem Schlafzimmer fand er nur billigen Modeschmuck in der Schmuckschatulle. Aber in der untersten Schublade der Kommode fand er eine kleinere Schachtel mit drei Ringen, einer Halskette und einem Paar Ohrringen, die wertvoll aussahen und bestimmt eine Menge Geld einbrachten.
    In einer anderen Schublade fand er zwei Mappen, und in jeder steckten zehn goldene Zwanzigdollar-Münzen aus dem neunzehnten Jahrhundert. Allein der Goldwert jeder einzelnen Münze betrug annähernd dreihundert Dollar, wie er vermutete, und wenn sie selten waren und einen zusätzlichen Sammlerwert hatten, konnte man noch weitaus mehr dafür erlösen.
    Als er die Durchsuchung des Hauses abgeschlossen hatte, war er nach seiner Schätzung um rund fünfzehntausend Dollar reicher.
    Es ist wie im Traum, durch Zufall so viel zu ergattern, ging ihm durch den Kopf.
    Der schöne Traum verwandelte sich schnell in einen Albtraum, als er losfuhr und seinen ganz persönlichen Entsorgungsort ansteuerte … Kein Problem, hinaus aufs Land zu fahren, dachte er; schwieriger wird es sein, die Leiche bei dem Dauerregen und der Kälte unter die Erde zu bringen. Das Laub würde schlüpfrig sein, und der Hang war steil … Aber es würde ihm Freude machen, wieder einmal auf dem Hügel zu sein, da oben bei all seinen anderen Freundinnen. All den Freundinnen von James Qatar, die unter den Eichen versammelt waren …
    Aber dann, als er den Bach überquert hatte und um die enge Kurve bog, wurde er plötzlich von einem grellen Lichtschein geblendet. Es gab keine Möglichkeit, umzukehren und zu verschwinden; er war auf der schmalen Straße gefangen. Er ging vom Gas, fuhr langsam weiter. Eine Ansammlung von Fahrzeugen direkt unterhalb des Hügels … Was hatte die Polizei so spät und bei diesem Regen hier zu suchen? Ein Verkehrsunfall?
    Als er sich näherte, trat ein Cop auf die Straße und winkte ihn durch. Qatar fuhr langsam an ihm vorbei, hob die Hand, drehte jedoch den Kopf zur Seite, um dem Cop sein Gesicht nicht zu zeigen. Das war nicht auffällig, weil er dabei zum Hügel hinüberschaute, zu den Männern, die dort im Scheinwerferlicht arbeiteten. Ein Mann mit einer Schaufel stand am Straßenrand, und drei TV-Vans waren an der Seite abgestellt …
    Er war eher verblüfft als von Panik ergriffen. Sie hatten also schließlich doch seinen persönlichen Friedhof gefunden … Klar, die Entdeckung von Aronsons Leiche hatte ihnen das ermöglicht, aber als in den Medien nichts weiter berichtet wurde, war er überzeugt gewesen, sie hätten die anderen nicht gefunden.
    Sein Gehirn war jedoch wie gelähmt, und er fuhr planlos weiter. Hin und wieder auftauchende Lichter links und rechts ließen einsame Farmen vermuten. Er kam auch an einer Conoco-Tankstelle mit zwei auf dem Parkplatz abgestellten Lastwagen vorbei. Dann bog er links ab und geriet wieder in dunkles Flachland. Schließlich stieß er auf einen Highway und folgte dem Pfeil »Norden«: Die Zwillingsstädte Minneapolis/St. Paul lagen im Norden, und so konnte er sie nicht verfehlen. Nach wenigen Kilometern führte der Pfeil ihn jedoch wieder vom Highway weg, und als er dann erneut an der Conoco-Tankstelle vorbeikam, wurde ihm klar, dass er im Kreis gefahren war. Er hielt an, ging in den Verkaufsraum und erstand eine Packung rosafarbener Schokobällchen und ein Coke. Der junge Mann hinter dem Schalter erklärte ihm den richtigen Weg: »Rechts die Straße weiter, immer geradeaus, bis Sie auf die 494 stoßen …«
    Er fuhr weiter, stopfte sich Schokobällchen in den Mund, kaute gedankenlos auf dem Zuckerguss und der Schokolade herum – das Zeug schmeckte tatsächlich
rosa –
und warf schließlich die Packung aus dem Fenster. Die Leiche im Kofferraum schien im Dunkeln zu glühen; er musste sie schleunigst losweden. Dringendst …
    Das erwies sich als ebenso leicht wie der Mord.
    Er stieß südlich von St. Paul auf die Interstate 494, fuhr nach Westen, erreichte die Ford Bridge über den Mississippi. Kurz vor dem Ende der Brücke hielt er auf dem Standstreifen an, schaute in beide Richtungen, wartete ab, bis keine Autos mehr in der Nähe waren, holte dann den Müllsack mit der Leiche aus dem Kofferraum und ließ den Körper über das Geländer aus dem Müllsack in den Mississippi gleiten. Beinahe wäre ihm der Müllsack entglitten; doch im letzten Moment konnte er ihn gerade noch festhalten. Es war zu dunkel, um den Aufprall der Leiche beobachten zu können, aber sie würde bald

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