Toedlicher Blick
meinem College, ging ihm durch den Kopf.
Helen Qatars Büro lag am Ende des Flurs, hinter einer durchsichtigen Glastür mit einer großen, aus goldenen Blättern geformten Eins. Eine kräftig gebaute Sekretärin las Zeitung, als Lucas hereinkam. Sie sah hoch und fragte: »Sind Sie Mike?«
»Nein, ich bin Lucas.«
»Sind Sie ein Mitarbeiter von Mike?«
»Nein, ich bin Polizist. Ich hoffte, mit Miss Qatar sprechen zu können.«
»Sie meinen Mrs. Qatar«, korrigierte die Sekretärin. Sie beugte sich zu einer altmodischen Sprechanlage vor, drückte auf einen Knopf und sagte: »Mrs. Qatar, ein Cop möchte Sie sprechen.«
Eine blecherne Stimme reagierte: »Sieht er gut aus?«
Die Sekretärin sah Lucas von oben bis unten an, sagte dann: »Er sieht einigermaßen zivilisiert aus, hat aber auch einen Anflug von Bösartigkeit.«
»Klingt interessant. Lassen Sie ihn rein.«
Auch Helen Qatar las Zeitung. Sie war früher einmal eine hübsche Blondine gewesen, dachte Lucas, aber ihr feiner Teint war jetzt von einem dichten Netz dünner Falten durchzogen. Klare porzellanblaue Augen sahen Lucas hinter einer Lesebrille mit rechteckigen Gläsern entgegen. »Schließen Sie die Tür«, sagte sie. »Sie sind Lucas Davenport.«
Lucas sagte ja und schloss die Tür.
Helen Qatar legte die Zeitung nieder und sagte: »Denise und ich lesen die Zeitung immer zur gleichen Zeit in unseren jeweiligen Räumen. Sie nimmt die Nachrichten immer sehr ernst.« Lucas wusste nicht, was er mit dieser Bemerkung anfangen sollte, und lächelte daher nur höflich. Qatar nahm die Brille ab und legte sie auf den Schreibtisch. »Ich habe ja bereits mit diesem netten schwulen Mann von der Polizei gesprochen. Geht es um dasselbe Thema?«
Lucas runzelte die Stirn. »Black hat Ihnen gesagt, dass er schwul ist?«
»Nein, nein, ich habe es nur vermutet. Hält er seine Veranlagung geheim?«
»Eigentlich nicht. Jeder weiß es, niemand spricht darüber. Macht allen das Leben leichter.«
»Haben Sie viele Homosexuelle bei der Polizei?«
»Wahrscheinlich nur durchschnittlich viele.«
»Aha. Nun denn – womit kann ich Ihnen noch behilflich sein?«
»Eigentlich weiß ich das gar nicht. Black hat Ihnen ja alles über diese Zeichnungen gesagt, und da Sie Zeitungsleserin sind, wissen Sie sicher von dem Mörderfriedhof, den wir unten im Godhue County ausgegraben haben.«
»Es ist entsetzlich«, sagte sie.
»Wir glauben, dass es zwischen den Zeichnungen und den Morden einen Zusammmenhang gibt. Und wir nehmen an, dass der Mörder eine besondere Beziehung zu Katholiken hat. Wir haben einen Zeugen, der ihm wahrscheinlich einmal begegnet ist, und er sagt, es könnte sich um einen katholischen Priester handeln – ohne dass er wusste, dass eine überproportional große Zahl der Opfer Katholiken sind.«
»Warum sollte ein katholischer Priester Katholiken ermorden?«
»Nun, das könnte einen ganz einfachen Grund haben – wahrscheinlich sind die meisten Menschen, die er kennt, Katholiken. Aber wir wissen nicht mit Sicherheit, dass es sich um einen Priester handelt. Nur dieser eine Zeuge sagt es, und er ist nicht sehr verlässlich. Und es gibt auch noch andere Gründe, dies für unwahrscheinlich zu halten … Wir glauben, dass er zu einer bestimmten Zeit einmal an einer staatlichen Universität studiert hat, was für jemanden, der kurze Zeit später Priester wird, ziemlich ungewöhnlich wäre.«
»Es sei denn, er war schon Priester und hat ein zusätzliches Studium absolviert«, sagte Qatar.
»Wir halten das nicht für wahrscheinlich. Er war zu dieser Zeit noch ziemlich jung. Aber egal, kommen wir zum Grund meines Besuchs: Wir befragen die Frauen, denen Zeichnungen zugeschickt wurden, sehr intensiv, und wir durchforsten die Vergangenheit der getöteten Frauen bis ins Detail. Wir schauen uns Adressbücher an, Scheckbücher, Weihnachtskarten und alles andere, was wir finden können. Und suchen dann nach Gemeinsamkeiten. Ihr Name ist bei dieser Querverweissuche viermal aufgetaucht. Eine ganze Reihe anderer Namen ist zweimal erschienen, aber Sie sind mit der viermaligen Nennung als Siegerin durchs Ziel gegangen. Sie haben also irgendetwas … irgendetwas gemeinsam mit dem Mörder.«
Das verursachte ein längeres Schweigen, dann sagte Helen Qatar: »Guter Gott!«
»Ja. Es tut mir Leid, dass ich das so unverblümt ausgesprochen habe, aber so sind nun mal die Fakten.«
»Es kann doch dafür einen ganz einfachen Grund geben – wie Sie das ja auch von dem Priester und
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