Toedlicher Blick
seine Kiefer mahlten. Dann sagte er: »Das wäre … tragisch.«
»Ich glaube aber nicht, dass das passieren wird«, sagte Lucas.
»Dann erzählen Sie mir doch mal, was Sie inzwischen beisammen haben. Ich war die ganze Zeit hier draußen. Es hat mich immer gedrängt, mal zu Ihnen zu fahren, aber ich konnte mich nicht von …« Er schaute den Hang hinunter, und seine Kiefer begannen wieder zu mahlen. »… von all den Gräbern lösen.«
Lucas erklärte ihm alles, was sich inzwischen ergeben hatte. Marshalls Augenbrauen fuhren hoch, als er von Laura Wintons Foto auf dem Gelände von St. Patrick und dem Tod Charlotte Neumanns erfuhr.
»Glauben Sie, dass da ein Zusammenhang besteht?«
»An der Neumann-Sache ist irgendwas faul. Wir wissen, dass der Killer in St. Patrick war, wir wissen, dass die Professorin umgebracht wurde, nachdem die Zeichnungen im Fernsehen gezeigt wurden, wir wissen, dass Aronson Schmuck gestohlen wurde und dass das auch bei Neumann geschehen ist. Die Kollegen von St. Paul haben es der Öffentlichkeit gegenüber nicht angedeutet, aber ich glaube, Neumann wurde im Rahmen einer …›Säuberungsaktion‹ umgebracht. Sie hatte irgendwas rausgefunden, was gefährlich für den Killer war.«
»Eine ›Säuberungsaktion‹…« Marshall schnippte die Zigarette in den Matsch. »Das Dreckschwein sollte bei lebendigem Leib gehäutet werden.«
Lucas’ Handy piepste, und er zog es aus der Tasche. »Ja?«
»Hier ist Del. Wo bist du?«
»Auf dem Friedhofhügel. Rede gerade mit Marshall. Was ist los?«
»Wir haben so was wie einen Durchbruch«, sagte Del. »Also, schaff deinen Arsch so schnell wie möglich her.«
»Was ist passiert?«
Del erklärte es in Kurzform, und Lucas sagte: »Ich komme sofort.« Er brach das Gespräch ab, sagte zu Marshall: »Ich muss los.«
»Ist was passiert?«
Lucas hatte den Abstieg vom Hang bereits begonnen, und er rief über die Schulter zurück: »Vielleicht.«
»Ich komme mit«, sagte Marshall, und zusammen kletterten sie den Hang hinunter, sprangen über den Straßengraben. Lucas lief zu seinem Tahoe, und Marshall trabte schwerfällig zu seinem Wagen, dann rasten sie hintereinander in Richtung Norden davon.
13
Als Porschebesitzer beherrschte Lucas einen rasanten Fahrstil, und das bewies er auch jetzt, selbst mit dem nilpferdschweren Tahoe; er sah im Rückspiegel, dass Marshall ihm nur mit Mühe folgen konnte, während sie durch das Dakota County auf Minneapolis zufuhren. Als sie den Highway erreicht hatten, schaltete Lucas den Tempomat ein, um sich zu einer ruhigeren Fahrweise zu zwingen. Marshall schaffte es jetzt mühelos, an ihm dranzubleiben. Lucas führte ihn zu einem Parkhaus in der Stadtmitte, rief Del an, während der Deputy seinen Wagen abstellte, und als er dann in den Tahoe umgestiegen war, fuhr Lucas wieder los. Del erwartete die beiden vor dem Rathaus.
»Erzähl Terry alles, was du mir am Telefon gesagt hast«, forderte Lucas Del auf, als er auf den Rücksitz geklettert war.
»Ich habe mit den Fotos von Aronsons und Neumanns Schmuck die Pfandleiher und Hehler in der Stadt abgeklappert«, sagte Del zu Marshall. »Es gibt da einen Mann, den Lucas und ich gut kennen, Bob Brown ist sein Name, der mit Schmuck aus Nachlässen aller Art handelt. Er gibt sich dabei Mühe, seine Finger so sauber wie möglich zu halten. Ich zeigte ihm die Fotos, und als er das von Aronsons Ring und der Perlenkette sah, erkannte er den Schmuck auf Anhieb. Er hatte beides vor sechs Monaten erworben. Die Perlenkette hatte er inzwischen verkauft, aber der Ring war noch in seinem Besitz, und ich habe das In-ewiger-Liebe-Stück gegen eine Quittung mitgenommen; es liegt bei Marcy im Büro.«
»Auf der Innenseite des Rings sind die Worte ›In ewiger Liebe‹ eingraviert«, erklärte Lucas.
»Fraglos also Aronsons Schmuck«, sagte Marshall. »Woher hat der Pfandleiher ihn?«
»Von einem Barkeeper namens Frank Stans in der Bolo Lounge, einem Striplokal am Highway 55 – nicht weit westlich von hier, fünfzehn Minuten Fahrzeit«, antwortete Del. »Stans sagte Brown, er habe den Schmuck über die Theke hinweg von einem Mann gekauft, der behauptete, er habe ihn geerbt.«
»Besteht die Möglichkeit, dass dieser Stans selbst …?«
»Stans ist ein Schwarzer, der schon öfter solche Deals mit Brown gemacht hat«, sagte Del. »Also recht unwahrscheinlich.«
»Und wir wissen, wo der Mann sich im Moment aufhält? Dieser Stans?«
Del sah auf die Uhr. »Sein Dienst in der Bar hat vor zehn
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