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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Minuten begonnen.«
    Marshall grinste. »Diese verdammten Großstädte …«
    »Wieso?«, fragte Del vom Rücksitz.
    »Bei uns in Wisconsin machen die Strip-Lokale frühestens nach dem Abendessen auf.«
    »Ich habe eine Ferienhütte in Wisconsin, oben im Norden«, meldete sich Lucas zu Wort. »Vor zwei Jahren wollte ich auf die Hirschjagd gehen, und als ich in der Hütte ankam, spät am Freitagabend, schneite es. Ich sitze also da, überprüfe meine Ausrüstung und stelle fest, dass ich die falschen Patronen für mein 243er-Jagdgewehr mitgenommen habe. Ich fahre also in der Gegend rum und suche einen Laden, der noch geöffnet ist und mir 243er-Patronen verkauft. In einem Gemischtwarenladen sagt man mir, der einzige Ort, an dem ich zu dieser Tageszeit eventuell noch Patronen kriegen könnte, sei ein gewisses Striplokal. Ich fahre hin, und tatsächlich, sie hatten die richtigen Patronen, überhaupt alle, die man nur haben will. Und im Nebenzimmer hatten sie eine Lebensmitteltheke und einen Imbiss eingerichtet. Das Mädchen in der Bar, die Tänzerin … ich wette, sie wog mindestens 180 Pfund, und sie war
kein
groß gewachsenes Mädchen. Hatte Blutergüsse am ganzen Körper, als ob sie häufig hinfallen würde.«
    »Andere Kultur«, sagte Marshall. »Wir mögen es, wenn man so richtig was zum Zupacken hat …«
    »Bei dem Mädchen konnte man nicht nur so richtig zupacken, man musste aufpassen, nicht mit ihr zu kollidieren, weil sie fast die ganze Bar ausfüllte«, sagte Lucas.
    »Blutergüsse, als ob sie verprügelt worden wär’?«, fragte Del.
    »Nein. Als ob sie schon zum Frühstück einige Martinis zu viel trinken würde und das Gleichgewicht nicht mehr halten könnte«, sagte Lucas. »Sie war wie ein … dicker angefaulter Pfirsich. Konnte aber
gut
tanzen.«
    »Warum holst du so weit aus mit dieser Sache über die Patronen für dein 243er, um schließlich bei einer Striplokal-Story zu landen?«, fragte Del.
    Lucas schüttelte belustigt den Kopf. »Na ja, ich weiß nicht … Da trifft man um Mitternacht vor der Eröffnung der Hirschjagd auf eine Kombination aus Striplokal, Lebensmittelladen und Imbiss-Stube und schaut einem fetten angefaulten Pfirsich beim Strippen zu … Das ist doch nun wirklich was Besonderes, oder?«
    Die Bolo Lounge war geöffnet, hatte aber noch keine Gäste. Eine Frau im langen Kleid saß auf der Kante einer runden Bühne von der Größe einer Tischplatte, hielt Plastik-Kastagnetten im Schoß und las in einem Immobilienanzeigenblatt. Sie betrachtete die Ankömmlinge misstrauisch, und Lucas schüttelte schnell den Kopf: »Keine Sorge, wir wollen nur mit Mr. Stans sprechen. Wo ist er?«
    Sie gab keine Antwort, schaute aber hinüber zur Bartheke; ein Schwarzer stand an ihrem Ende und war damit beschäftigt, in einem bunten Heft zu lesen. Frank Stans war älter, als Lucas gedacht hatte, über sechzig, und er hatte eine von einem Kranz weißer Haare umgebene Kopfglatze. Er machte nicht den Eindruck, als sei er der Großvater irgendwelcher Enkel – er sah aus wie ein Mann, der früher einmal regelmäßig schwere Gewichte gestemmt hatte, von denen offensichtlich manche auf sein Gesicht gefallen waren. Er blätterte, wie Lucas jetzt sah, in einem japanischen Manga-Comic und saugte aus einem Strohhalm ein Getränk in sich hinein, das wie ein Pepto-Bismol-Cocktail aussah.
    »Mr. Stans?«, fragte Lucas.
    Stans sah auf. »Wer will das wissen?«
    »Die Stadtpolizei Minneapolis.« Lucas zeigte ihm seine Dienstmarke, und während Del und Marshall sich neben ihm aufbauten, zog er die Fotos von Aronsons Schmuck aus der Tasche. »Wir haben erfahren, dass Sie diese Schmuckstücke vor sechs Monaten an Bob Brown verkauft haben. Wir fragen uns nun, von wem Sie sie erhalten haben.«
    Lucas legte die Fotos auf den Tresen, und Stans sah sie sich an, ohne sie in die Hand zu nehmen. »Ich erinnere mich nicht«, grunzte er. »Ich habe Brown zwar ein paarmal was verkauft, aber an diesen Schmuck da kann ich mich nicht erinnern.«
    »Es wär’ echt gut, wenn Sie versuchen würden, Ihrer Erinnerung auf die Sprünge zu helfen«, sagte Del. »Das Zeug gehörte einem Mädchen, das man ermordet und draußen auf dem Land verscharrt hat.«
    »Wir betrachten Sie nicht als Komplizen«, versuchte Lucas Dels Aussage zu entschärfen.
    »
Noch
nicht«, knurrte Marshall und ließ damit die Schärfe wieder aufleben.
    Lucas sah ihn an – Marshalls Stimme hatte wie klirrendes Glas geklungen –, wandte sich dann wieder an Stans:

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