Toedlicher Blick
Plastikplanen.
McGrady hatte sich eine Ruhezeit gegönnt. Er saß auf einem Klappstuhl und las in einem Magazin mit dem Namen
Maxim
, als Lucas sich den Hang zum Kommandozelt hinaufkämpfte. »Ich habe mir immer gerne Fotos von sexy Frauen angeschaut«, sagte er fast abwesend, als Lucas ihn erreicht hatte. »Zum Beispiel in der Beilage zu
Sports Illustrated
mit Frauen in Badeanzügen. Aber nach dieser ganzen Liberalisierungsscheiße sind wir an dem Punkt angekommen, wo Frauen nicht mehr Objekte unserer Sinneslust sind, sondern pure Verkaufsförderungsprodukte. Haben Sie mal in dieses Käseblatt reingeschaut?«
»Nein«, sagte Lucas amüsiert.
McGrady warf das Magazin über die Schulter in den Matsch. »Ich fürchte, es liegt daran, dass ich alt werde. Ein paar von den jüngeren Cops haben sich das Heft angeschaut und fanden es ganz toll.«
»Immer noch acht Leichen, oder?«, fragte Lucas.
Maxim
war kein Thema für ihn, er hatte nie davon gehört.
»Ja, immer noch. Ich bin überzeugt, dass das alle sind, es sei denn, wir stoßen irgendwo noch auf einen ganz neuen Friedhof. Wir glauben, dass eine der Leichen von einem Mädchen namens Brenda Sowieso aus Lino Lakes stammt, aber wir konnten keine Zahnarzt-Unterlagen auftreiben. Ich weiß nicht, warum wir da nicht schneller vorankommen …«
»Marcy sagte, ihre Eltern seien ein paarmal umgezogen und man habe sie noch nicht auftreiben können. Soweit ich aus der Akte weiß, scheint sie aber nicht ganz in unser Raster zu passen.«
»Na ja … blond, lebenslustig, verschwunden.«
»Aber einige ihrer Freunde meinen, sie sei auf dem Absprung nach Kalifornien gewesen; und sie hatte nichts mit Kunst zu tun.«
»Wenn wir ihre Eltern finden, könnten wir eine DNA-Untersuchung machen und auf die Zahnarzt-Sache verzichten«, sagte McGrady. Er gähnte, sagte dann: »Ein weiterer Tag hier draußen, fürchte ich. Oder mehr, wenn wir noch was finden.«
»Sie haben ja die Fernsehleute zur Unterhaltung hier …«
»Ja, ja. Aber denen wird’s inzwischen langweilig. Keine neuen Leichen.« Sie sahen hinunter zu den TV-Vans. Die Teams hatten sich auf blauen Planen am Straßenrand versammelt; zwei der Kameramänner spielten Schach, einer der Reporter lag mit dem Handy am Ohr auf dem Rücken.
Lucas schaute den Hügel hoch. Marshall saß auf dem Kamm und sah zu ihm herunter. »Auf jeden Fall ist Ihnen ja Marshall erhalten geblieben.«
»Der Kerl ist mir unheimlich«, sagte McGrady. »Netter Mann, aber irgendwie … sehr aufgewühlt.«
Sie redeten noch ein paar Minuten miteinander, dann kletterte Lucas den Hang hoch zu Marshall. Der Deputy saß auf einem Müllsack und rauchte eine Marlboro. »Na, wie geht’s Ihnen?«, fragte Lucas.
Marshall lächelte, stieß eine Rauchwolke aus und nickte. »So langsam habe ich alles verdaut«, sagte er. »War anscheinend ein bisschen überarbeitet. Und wie sieht’s bei Ihnen aus?«
Er klang so heiter, dass Lucas nicht anders konnte, als sein Lächeln zu erwidern. »Wir machen Fortschritte. Wir haben die Morde, von denen wir wissen, noch mal unter die Lupe genommen und rausgefunden, dass unser Mann alles von seinen Mordopfern stiehlt, was er nur in die Finger kriegen kann – jedenfalls alle Dinge, die klein und wertvoll sind. Schmuck, Bargeld, vielleicht auch kleine Kameras und so was. Wir haben Fotos von Schmuckstücken, die Aronson und vielleicht auch noch einer anderen Frau gestohlen wurden, und wir sind dabei, sie allen Hehlern in der Stadt zu zeigen.«
Marshall senkte den Kopf. »Ich mache mir Gedanken darüber, was passiert, wenn wir den Killer dingfest machen«, sagte er dann.
»Das kann noch eine ganze Weile dauern«, sagte Lucas.
»Ich weiß, wie ihr euren Job macht – wie
Sie
Ihren Job machen –, und ich bin überzeugt, dass Sie ihn früher oder später überführen werden. Da habe ich doch Recht, oder?«
Lucas hob die Schultern. »Ich glaube auch, dass wir das schaffen. Der eine oder andere Killer geht uns zwar durch die Lappen, aber sobald wir einen Ansatzpunkt haben, werden wir diesen Mann durch seine Zeichnungen festnageln können. Und wenn wir erst einmal seinen Namen haben, werden wir Zusammenhänge zwischen einzelnen Beweispunkten herstellen können, und wir haben jetzt schon eine ganze Menge solcher Punkte beisammen.«
»Aber was Sie haben, sind nur Indizienbeweise – vielleicht handfeste, vielleicht auch nicht. Er könnte sie aushebeln.«
»Das Risiko besteht immer.«
Marshall stieß wieder eine Qualmwolke aus, und
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