Toedlicher Hinterhalt
nicht sofort zumindest. »Ich komme gleich«, rief er seiner Schwester zu, drehte sich dann zu Mallory um und zog eine Geldklammer mit Scheinen aus der Tasche seiner Cargoshorts. »Geld für Lebensmittel.« Er nahm einige Hundert Dollar heraus.
Doch bevor er sie ihr gab, nahm er ihr die Zigarette aus dem Mund und drückte sie in einem überquellenden Aschenbecher aus.
»Stell dir vor«, begann er. »Du hörst auf zu qualmen. Heute. Wenn du in die Navy eintrittst, bringt man dich erst mal in Form. Und glaub mir, das wird leichter, wenn du keine Raucherin bist.«
Sie verzog den Mund und schenkte ihm ihren besten Du-gehst-mir-voll-auf-die-Nerven-Blick. »Du bist doch bescheuert, wenn du tatsächlich glaubst, ich würde mich freiwillig von Arschlöchern wie dir rumkommandieren lassen.«
Er lachte, fasste sie beim Arm und setzte prustend die Lippen in ihre Ellenbeuge, so wie er es getan hatte, als sie sieben war. Es kitzelte und das Pupsgeräusch klang so echt, dass sie loskichern musste.
»Du bist so ein Blödmann«, meinte sie.
Er drückte ihr das Geld in die Hand. »Es ist eine Chance, hier rauszukommen«, sagte er plötzlich ganz ernst. »Und zwar aus eigener Kraft.«
Zu ihrem Entsetzen stiegen ihr Tränen in die Augen. Gott, sie wollte abhauen, manchmal mehr als alles andere.
»Tommy, ich stehe hier unten im Dunkeln!«
Er wandte sich ab und tat so, als bemerkte er nicht, dass Mallory nur Millisekunden davor war, loszuheulen. Statt sie in den Arm zu nehmen, ließ er sie lieber in Ruhe, weil er glaubte, dass sie das brauchte.
Gott, dabei wünschte sie sich, jemand hielte sie in den Armen, als wäre sie wieder fünf Jahre alt, und sagte ihr, dass alles gut werden würde. Es wäre zwar eine Lüge, aber es hatte schon immer gutgetan, und für eine Minute oder auch nur für einige Sekunden würde sie sich geborgen fühlen.
»Denk drüber nach«, wiederholte er noch einmal, während er die Stufen in den Keller hinunterlief.
Genau. Mallory würde nichts anderes tun. Nur dass nachdenken sie dem Handeln kein Stück näher brächte. Denn wenn sie ginge, wenn sie nicht da wäre, um Lebensmittel zu kaufen und ab und an sogar mit ihrem lumpigen Gehalt von dem blöden Job in der Eisdiele die Miete zu bezahlen, was würde dann aus ihrer Mutter werden?
Mallory stieß die Tür auf und ging nach draußen, stinkwütend auf die Welt. Und auf Tom, der versuchte, ihr Hoffnung zu machen, obwohl doch wohl mehr als klar zu sein schien, dass alles scheiße war und sich nichts ändern würde.
David Sullivan saß auf einer Bank beim Riesenrad und sah zu, wie ein Großteil der Collegestudenten von Baldwin’s Bridge vorbeischlenderte.
Er hatte seinen Block und Stifte dabei, doch obwohl der Kleinstadt-Kirchenkarneval zu dieser nächtlichen Stunde wie eine Freakshow wirkte, hatte er seine Zeichensachen noch nicht aus der Tasche geholt.
Es war nach zehn und er arbeitete in der Frühschicht im Hotelrestaurant. Morgens um vier Uhr drei ßig hatte er fertig angezogen zu erscheinen, bereit, zu servieren. In Anbetracht der Uhrzeit füllte sich der Raum stets bemerkenswert schnell – mit Golfern und Sportfischern. Kurzbeschreibung: braun gebrannte, ledrige Haut, reich, fettes Grinsen und noch fettere Brieftaschen.
Er musste schnell sein, um alle rechtzeitig auf den Weg zum Golfplatz und zum Jachthafen zu bringen. Zwischen fünf Uhr fünfzehn und sechs Uhr dreißig herrschte dann ein bisschen Flaute. Um diese Zeit kamen nur einige Golfer mit etwas späteren Abschlagzeiten und verstopften sich die Arterien mit großzügigen Portionen Steak und Eiern. Danach erschienen die Frauen im weißen Tennisdress mit Pullovern über den Schultern, deren Ärmel sie auf Dekolletéhöhe miteinander verknotet hatten. Nach acht ließen sich schließlich die Sonnenanbeter blicken und bestellten Kaffee und Toast. Und gegen halb elf war das Frühstück endlich vorbei. Dann stempelte er aus und hatte mit dem Trinkgeld ein kleines Vermögen verdient, das er in seinen kleinen »Veröffentlichungsfond« stecken konnte. Noch weitere fünfzehn Wochen, dann würde er genug Geld zusammenhaben, um den Roman Nightshade Realität werden zu lassen. Das Problem war nur, dass er bereits in einem Monat wieder zum College musste.
Er dachte deshalb darüber nach, sich noch einen zweiten Job zuzulegen oder mehr Schichten zu übernehmen, aber er war bereits jetzt vollkommen erschöpft.
Jeden Morgen schwor er sich von Neuem, nachmittags ein Nickerchen einzulegen, doch dann
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