Toedlicher Hinterhalt
nach draußen in die Einfahrt gegangen, wobei er etwas von dem Kartenspiel gegrummelt hatte und davon, dass irgendwer ja Joe im Auge behalten müsse, damit der nicht seine verdammte dumme Klappe aufreiße.
Für Kelly war klar, dass sie gar nicht erst zu versuchen brauchte, es ihm auszureden. Er mochte vielleicht etwas länger leben, wenn er zu Hause Bettruhe hielt, doch momentan schien eine weitere Woche, die er damit zubrachte, an die Decke zu starren, das nicht wert zu sein. Der Mann würde in jedem Fall sterben. Da konnte er genauso gut machen, was er wollte, solange er noch dazu in der Lage war.
Als hätte Kelly ihrem Vater je ausreden können, zu tun, wonach ihm gerade war.
Abgesehen davon hatte sie ja ihren Pager eingeschaltet und Joe besaß ihre Nummer.
Die Männer waren mit dem Kombi gefahren und hatten Tom mitgenommen, um ihn beim Haus seiner Schwester Angela abzusetzen.
Tom …
Kelly starrte auf die beleuchteten Fenster von Joes Häuschen – auf die Lichter, die von Tom eingeschaltet worden waren.
Was hatte Tom Paoletti an sich, das ihr so unter die Haut ging? Allein sein Anblick hatte etwas in ihr ausgelöst. Sie war aufgewacht, wieder ins Leben zurückgekehrt. Die Abendluft roch süßer, das Zirpen der Grillen klang lauter und heller. Die Sterne, die hinter den Schleierwolken am Himmel funkelten, schienen zum Greifen nah zu sein.
Kelly musste über die reine Poesie des Ganzen lachen – besonders, da ihre Gefühle sich auf ein sehr schlichtes und grundlegendes Bedürfnis zurückführen ließen.
Sex.
Fünfzehn Minuten allein in einem Raum mit Tom Paoletti, und sie konnte sich nicht mehr zusammenreißen und nur noch an Sex denken. Ein kurzes Lächeln von diesem Mann, und sie fühlte sich wieder ganz wie eine Sechzehnjährige, entdeckte die wahre Bedeutung des Wortes Lust , als sie einen Blick auf seinen unfassbaren Körper erhaschte, während er bei ihr im Garten arbeitete.
Doch Tom besaß auch die Kraft, etwas in ihr auszulösen, das mehr als nur sexueller Natur war. Vom Küchenfenster aus hatte sie am Nachmittag gesehen, wie sein Großonkel draußen in der Einfahrt ganz unbefangen von ihm mit einer Umarmung begrüßt worden war. Die beiden Männer, jung und alt, hatten sich für einen langen Moment fest in den Armen gehalten.
Vielleicht war es ihre italienische Abstammung, die sie von den eiskalten Ashtons unterschied, jedenfalls hatte Kelly noch nie erlebt, dass ihr Vater irgendwem – sei es einer männlichen oder weiblichen Person – so öffentlich und gefühlvoll seine Zuneigung zeigte.
Und noch schlimmer, sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann sie selbst es getan hatte, nicht einmal während ihrer Ehe mit Gary. Selbst wenn sie unter sich gewesen waren, hatte er außer im Bett immer Abstand gehalten. Er war ihrem Vater sehr ähnlich gewesen – durch und durch geprägt von den unterkühlten Umgangsformen, wie man sie im feinen Bostoner Stadtteil Beacon Hill pflegte.
In einem der oberen Fenster des Cottages ging das Licht an, es war der Raum, in dem Tom während seiner Highschoolzeit gewohnt hatte. Kelly wusste ganz genau, welches sein Zimmer war. Sie hatte die besagten Jahre damit zugebracht, für ihn zu schwärmen – für diesen Großneffen von Joe, der bei ihm einzog, weil er nicht mit seinem Stiefvater klarkam, und den seine Mutter nicht unter Kontrolle hatte, diesen wilden Paoletti-Jungen mit den langen Haaren und der Neigung, alle Lehrer und Verwaltungsangestellten an der Schule gegen sich aufzubringen. Kelly war sich mit jeder Faser ihres Körpers über seine Anwesenheit in dem kleinen Haus unten am Tor bewusst gewe-
sen.
Sie blickte hinauf in die Äste über sich, zu dem Baumhaus, das Joe in jenem Sommer mit ihr gebaut hatte, als sie gerade zehn Jahre alt geworden war. Sie hatte viele Abende dort oben in ihrem Versteck verbracht und von Tom Paoletti geträumt.
Durch die Tatsache, dass das Baumhaus ihr die Möglichkeit bot, direkt in Toms Zimmer zu sehen, waren diese Fantasien definitiv noch befeuert worden. Sie hatte Tom öfter in Unterwäsche gesehen, als er es sich vorstellen konnte. Und ja, ein-, zweimal sogar nackt.
Kelly schaute erneut hoch in die Äste. Seit Jahren war sie nicht dort oben gewesen. Aber sie brauchte nicht erst auf einen Baum zu klettern, um zu wissen, dass Tom ohne einen Fetzen Stoff am Leib immer noch mehr als heiß aussah.
Tom Paoletti …
Sie erinnerte sich an den wunderbaren Tag, den sie im Sommer nach ihrem ersten Jahr an der
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