Toedlicher Hinterhalt
Highschool miteinander verbracht hatten, noch, als wäre es gestern gewesen. An den Tag – und die Nacht. Über die Jahre hatte sie immer mitverfolgt, welche Neuigkeiten es von Tom zu berichten gab. Und ja, möglicherweise war ihr aufgefallen, dass er nie geheiratet, nie auch nur eine Frau mit nach Hause gebracht und seine vielen kurzen Beziehungen Joe gegenüber immer als »nichts Besonderes« beschrieben hatte.
Es handelte sich hier schließlich um Tom Paoletti. Egal, wie nett und zuvorkommend er einmal zu ihr gewesen war, egal, wie viele Medaillen und Ehrungen und Auszeichnungen er bekommen haben mochte, er besaß tief in sich immer noch eine wilde Ader.
Damals während der Highschool hatte sie ihn unzählige Male unten an der Straße beim Strand auf seiner Harley vorbeirasen sehen, sodass seine Haare im Wind flatterten. Sie wollte auch dieses Hochgefühl empfinden, dieses Tempo auskosten. Sie wollte auf diese Weise mit ihm fliegen.
Sie war nur einmal mit ihm mitgefahren und hatte ihn fast schon darum angefleht, mit ihr die Straße am Strand entlangzurasen. Doch er war einfach nur mit einer Geschwindigkeit knapp unter dem Tempolimit weitergefahren und hatte gelacht.
Seitdem waren fast siebzehn Jahre vergangen. Und Kelly verspürte immer noch den Wunsch, mit ihm zu fliegen.
Über diese kitschige Umschreibung musste sie lachen. Tom würde die nächsten dreißig Tage zu Hause bleiben – gerade lange genug für eine perfekte Sommerromanze. Zumindest glaubte sie das, da sie auf diesem Gebiet nicht gerade viel Erfahrung besaß.
Noch nie hatte sie aus rein selbstsüchtigen Gründen Zeit mit einem Mann verbracht. Jede ihrer Beziehungen war immer so bedeutungsvoll und vielversprechend gewesen, dass sie einen fast schon ehrfürchtig erzittern ließ. Einmal, nur ein Mal , wollte sie mit jemandem zusammen sein, der sich einen Dreck darum scherte, ob sie die Harvard Medical School als Klassenbeste abgeschlossen hatte. Ein einziges Mal nur wollte sie mit einem Mann ausgehen, ohne sich fragen zu müssen, wie diese Beziehung seine – oder ihre – Karriere in der Medizin vorantreiben würde. Ein Mal wollte sie jemanden treffen, der ein bisschen wild, verrückt und raubeinig war. Jemanden, der keine Angst vor einem Adrenalinstoß hatte. Jemanden, der ihr am Strand einen Zungenkuss gab und sich nicht darum kümmerte, wer zusah. Jemanden, der ein gefährlich hohes Tempo mochte. Jemanden wie Tom Paoletti.
Jemanden ganz genau wie Tom Paoletti.
Das Leben war zu kurz. Jetzt, da der nahende Tod ihres Vaters über ihnen schwebte, wurde Kelly dies mehr denn je bewusst. Sie musste einiges verändern und in ihrem eigenen Leben mehr riskieren.
Und womit ließe sich besser anfangen als mit Tom Paoletti?
Sie wünschte sich, tröstend in den Arm genommen zu werden, wenn die Nacht ein wenig zu lang und dunkel wurde. Aber sie wollte nichts Längerfristiges, Bedeutungsvolles oder Kompliziertes mehr. Sie wollte einfachen, guten Sex, und sie wusste , Tom konnte ihn ihr geben.
Dass er in dreißig Tagen abreisen würde, war deshalb gut. Es setzte ihrer Affäre ein Ende – eine Grenze, die sie ständig daran erinnern würde, dass sie es sich selbst nicht durchgehen lassen durfte, ihn mehr als nur ein kleines bisschen zu lieben. Sie mochte den Gedanken, sich sehenden Auges darauf einzulassen, die Tatsache, dass die Beziehung – und auch ihr Schluss – schon von Anfang an klar waren.
Was Tom betraf, so wäre er wahrscheinlich sofort zu einer kurzen Affäre ohne jede Art von Bedingungen bereit. Sie wusste, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte. Zumindest glaubte sie es zu wissen. Mal abgesehen davon, dass er sie schon einmal abgewiesen hatte …
Aber das war damals gewesen und spielte heute keine Rolle mehr. Die neue, mutige, risikobereite Kelly Ashton würde diese Gelegenheit mit beiden Händen ergreifen.
Sie würde ihn fragen, ob er mit ihr essen gehen wollte. Nur sie beide.
Das Schlimmste, was passieren konnte, war, dass er ihr einen Korb gab, richtig?
Oh Gott, was sollte sie bloß machen, wenn er ihr eine Abfuhr erteilte?
Aber Typen machten so etwas doch die ganze Zeit. Sie baten Frauen um ein Date und mussten sich der Unsicherheit und der möglichen Zurückweisung stellen.
Wie schwer konnte das also schon sein?
Kelly ging zurück ins Haus. Wenn sie ein Mann wäre, würde sie jetzt das Licht in ihrer Mönchszelle im Kloster löschen, so viel stand fest.
Würde sie die Nerven haben, ihn zu fragen? Sie vermochte es nicht zu
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