Toedlicher Hinterhalt
anrufen?«, fragte er Charles steif. »Damit sie die Lady Luck bereit zum Auslaufen machen?«
Einen Moment lang befürchtete Tom, Charles wäre ein solcher Mistkerl, dass er es keinem von ihnen leichtmachen würde. Zumindest ließ er sich mit seiner Antwort Zeit.
Doch als Tom schließlich eine Augenbraue hochzog und fragte: »Mr Ashton …?«, gab der alte Mann endlich nach.
»Ach, na gut.« Es klang alles andere als nachsichtig, doch für den Augenblick genügte es.
»Hört zu«, wandte Tom sich an die beiden. »Worum es auch immer bei diesem Streit geht, ihr müsst das klären. Nicht heute, aber bald.«
»Wir könnten das im Handumdrehen klären«, gab Charles launisch zurück. »Joe braucht mir einfach nur zu versprechen, dass er sein großes Maul hält.«
Und genau das tat dieser gerade auch, wobei er grimmig die Lippen zusammenpresste. »Ich soll mich also einfach auf diese Bühne stellen und diese Tapferkeitsmedaille noch einmal annehmen?«, fragte er. »Ich soll mich vor die laufenden Kameras landesweit ausstrahlender Nachrichtensender stellen und die Hände der ganzen Würdenträger schütteln, die extra aus Frankreich und England angereist sind, und so tun –«
»Whow«, machte Tom. »Warte mal. Würdenträger von woher? Wovon sprichst du?«
»Von der Zeremonie zu Ehren der Fünfundfünfzigsten«, erklärte Joe ihm. »Ich will da gar nicht hin.«
»Du musst aber«, sagte Charles.
Joe schnaubte. »Ich muss überhaupt nichts.«
»Warte«, wandte Tom ein. »Noch einmal von vorn. Hast du gerade gesagt, dass Würdenträger aus England anwesend sein werden?«
»Ja, irgendein entfernter Verwandter der königlichen Familie, von dem noch nie jemand etwas gehört hat«, antwortete Charles brummig. »Man sollte meinen, dass sie Winston Churchills Urenkel schicken würden. Das wäre zumindest jemand, dessen Hand ich geehrt schütteln würde.«
»Du weißt doch noch nicht einmal, ob Churchill überhaupt einen Urenkel hat «, konterte Joe.
»Also, man sollte doch annehmen, dass die Organisatoren der Veranstaltung zumindest versuchen würden, das herauszufinden. Und wen schicken die aus Frankreich? Irgendwelche Politiker, wahrscheinlich sogar die Nachkommen von Nazi-Kollaborateuren.«
»Kelly hat mir erzählt, dass auch einige US -Senatoren da sein werden«, fiel es Tom wieder ein. Die Vereinigten Staaten, England und Frankreich … Jene drei Länder, die 1996 zusammengearbeitet hatten, um den Kaufmann zu fassen, und durch die ein Großteil der Komplizen des Terroristen ausgeschaltet worden war – darunter auch seine geliebte Frau. In Baldwin’s Bridge würden sich ehrwürdige Kriegshelden und Horden von Zuschauern tummeln. Und mit Sicherheit wäre auch CNN mit einem Kamerateam vertreten.
»Heilige Scheiße!«, entfuhr es Tom. »Ich muss dringend jemanden anrufen.«
»Es ist also möglich, dass es der Kaufmann gar nicht auf ein Ziel in Boston abgesehen hat«, erklärte Tom Jazz. »Es könnte sich sogar hier in Baldwin’s Bridge befinden. Unglaublich, oder?«
»Sie denken an eine Autobombe«, entgegnete Jazz.
»Jede Wette! So ist der Scheißkerl in der Vergangenheit auch immer vorgegangen«, berichtete der Lieutenant seinem langjährigen XO und Vertrauten vom Telefon in der Küche der Ashtons aus.
»Welche Sicherheitsvorkehrungen wird es bei den Feierlichkeiten geben?«
»Das weiß ich noch nicht. Ich habe meinen Onkel gebeten, die örtliche Polizei anzurufen, um es herauszufinden.« Charles und Joe waren sofort darauf eingegangen. Und angesichts der augenblicklichen Lage hatten sie sogar aufgehört zu strei-
ten.
Nachdem ihnen von Tom erzählt worden war, dass dieser den Kaufmann am Flughafen gesehen hatte, wobei er den Teil über seine Verletzung und Admiral Crowleys Skepsis aussparte, waren die beiden in Charles’ Arbeitszimmer gegangen, um so viel wie möglich über die Sicherheitsvorkehrungen bei der Eröffnungszeremonie der Feierlichkeiten in Erfahrung zu bringen. Zu seinem Erstaunen hatte Tom sie ganze Sätze zueinander sagen hören, als sie durch den Flur gelaufen waren, und das, ohne sich dabei eine einzige Anschuldigung oder hübsche Beleidigung an den Kopf zu werfen.
»Weiß es Crowley schon?«, erkundigte sich Jazz.
»Ich habe ihn angerufen, aber er war nicht da«, berichtete Tom. »Ich wollte keine Nachricht hinterlassen.« Nein, über so etwas informierte man niemanden per Mailbox. Er atmete tief durch. Es würde nicht leicht werden, das zu sagen, aber Jazz musste es erfahren.
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