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Toedlicher Hinterhalt

Toedlicher Hinterhalt

Titel: Toedlicher Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Brockmann
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Englisch erzählte er ihr alles über Baldwin’s Bridge, über die erholsamen Sommer am Meer, über seine Zeit in Harvard, und sie berichtete ihm auf Französisch vom Leben in Ste.-Hélène vor dem Einmarsch der Nazis.
    Ihr Ehemann und ihr Sohn waren von den Deutschen umgebracht worden, und Cybele litt immer noch an einem gebrochenen Herzen. Das hatte sie zwar nie erwähnt, doch Charles wusste, dass es so war. Sie hatte ihn umgekehrt nach Jenny gefragt.
    Das war an einem dieser heißen Nachmittage etwa eine Woche nach seiner Ankunft gewesen, als Charles in Cybeles Korb gefasst und eine Socke samt einer Nadel herausgezogen hatte.
    Cybele war in Lachen ausgebrochen. »Jetzt erzähl mir bitte nicht, dass sie dir auf der Harvard University auch das Stopfen beigebracht haben.«
    »Nein, leider nicht. Ich muss dich wohl bitten, mir zu zeigen, wie das geht«, hatte er erwidert und sie hatte daraufhin noch mehr gelacht, so als wäre das der lustigste Witz seit Kriegsbeginn gewesen.
    »Ich sitze hier nur nutzlos rum«, hatte er sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen. Zum Teufel damit, ob es sich dabei um Frauenarbeit handelte. »Ich werde noch verrückt. Zeig mir, wie man das macht. Bei Gott, schließlich esse ich auch das Brot, das du von dem Geld backst, welches du mit dem Stopfen der Socken verdienst.«
    Sie hatte große Augen gemacht, als ihr klar geworden war, dass er nicht scherzte. »Henri und die Lucs haben sich geweigert, es zu lernen. Ich konnte sie gerade mal dazu bewegen, mir beim Kochen zu helfen.«
    »Henri und die Lucs sind Esel.« Charles steckte einen Finger durch das Loch an der Sockenspitze und wackelte auf sie zeigend damit. »Komm hier rüber und bring es mir bei. Ich möchte helfen.«
    Sie hatte erneut losgeprustet, war seinem Wunsch dann jedoch nachgekommen, wobei sie dicht neben ihm hatte sitzen müssen, um es ihm zu zeigen. Ihre vom Arbeiten rauen Finger lagen angenehm kühl an seinen, und einer ihrer Oberschenkel berührte sanft sein unverletztes Bein. Ihr langes Haar hatte sie wahllos zu einem Knoten am Oberkopf zusammengenommen, und einzelne dunkle Strähnen fielen ihr in den langen, eleganten blassen Nacken. Ihr Kleid aus geflickter, ausgeblichener Baumwolle war alt und saß weit. Sie roch nach billiger Seife. Über die Jahre, in denen sie Menschen, die sich auf dem gefährlichen Weg in die Freiheit für einige Zeit auf ihrem Dachboden versteckten, den Großteil ihres Abendessens abgegeben hatte, war sie viel zu dünn geworden, sodass ihr Schlüsselbein deutlich hervor-
trat.
    Als sie den Kopf drehte und ihm aus nächster Nähe in die Augen sah, war Charles so nah an einer spirituellen Offenbarung wie bis dahin noch nie zuvor in seinem Leben.
    Dennoch wusste er, dass er ihr keine Beachtung geschenkt hätte, wenn sie auf den Straßen von Baldwin’s Bridge an ihm vorbeigelaufen wäre. Er hätte sich niemals die Zeit genommen, ihr in die Augen zu schauen und zu sehen, wer sie wirklich war.
    Sie entsprach all dem, was ihn nicht ausmachte. All dem, was Jenny nicht war.
    Sie hatten ziemlich lange nebeneinander auf dieser Bank gesessen, die Köpfe dicht beieinander, und ihre Hände berührten sich von Zeit zu Zeit, wenn sie eingriff, um ihn zu korrigieren, während er versuchte, seine viel zu großen Finger so geschickt zu benutzen, wie Cybele die ihren. Es fiel ihm verdammt schwer – es handelte sich tatsächlich um Frauenarbeit.
    Aber schließlich hatte er es doch geschafft und neben sechs von Cybele eine grob gestopfte Socke fertiggestellt. Nichtsdestotrotz applaudierte sie ihm, und in ihren braunen Augen lag Bewunderung und viel Herzlichkeit.
    Also schnappte er sich eine weitere Socke aus dem Korb und begann verbissen, sie zu stopfen.
    Ihr Blick verriet ihm, dass sie angenommen hatte, er würde nach einer aufhören.
    Doch in dem Korb lagen immerhin noch sechzig weitere löchrige Strümpfe. Bei seinem momentanen Tempo würde er nächsten Mittwoch fertig werden. Aber es war ja nicht gerade so, als hätte er noch jede Menge andere Dinge zu erledigen.
    Er spürte, dass Cybele ihn von der Seite ansah, wagte es jedoch nicht, noch einmal hochzuschauen. Denn er wusste, in ihrem Blick würde wieder Bewunderung für den Helden mitschwingen. Und obwohl er sich wünschte, dass sie ihn mochte, sollte sie ihn doch als den Mann mögen, der er war, und nicht irgendeiner verworrenen falschen Vorstellung von ihm erliegen. Möglicherweise hatte er sich zufällig wie ein Held verhalten, aber diese Tage lagen

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