Toedlicher Irrtum
identifizierte Frau zu achten. Vielleicht würde sie in den nächsten vierundzwanzig Stunden noch einmal herkommen, um Vivian Elliot zu besuchen. Danach hätten sie nur geringe Chancen, diese Frau noch ausfindig zu machen. Es sei denn, sie tauchte zu Vivians Beerdigung auf oder war einem der Krankenhausmitarbeiter bekannt.
»Wann haben Sie die Frau zum letzten Mal gesehen?«, fragte Catherine.
»Erst heute Morgen«, sagte Alice. »Sie ist ein paar Minuten bevor wir den Alarm aus Vivians Zimmer gehört haben gegangen.«
»Können Sie sie beschreiben?«
»Ziemlich jung.«
»Wie jung?«, hakte Warrick nach.
»Oh, sechzig oder so.«
Das brachte Warrick für einen Moment zum Schweigen. Dann fragte er: »Beschreibung …?«
»Sie hat graue Haare und trägt eine Brille.«
Catherine und Warrick sahen sich unter den Frauen im Korridor um, ehe sie einen Blick wechselten, der ihnen gegenseitig bestätigte, dass sie den gleichen Gedanken hegten: Alice hatte soeben jede einzelne der anwesenden Frauen beschrieben.
»Normalerweise gibt es hier nicht so einen Wirbel, wenn eine von uns stirbt«, stellte Alice fest. Ihre Augen waren nunmehr schmale Schlitze. »Warum dann jetzt? Wurde sie etwa ermordet?«
Bemüht, Tonlage und Gesichtsausdruck neutral zu halten, fragte Catherine die Frau: »Wie kommen Sie darauf, Alice?«
Die stämmigere Frau, Willie, maß Alice finsteren Blickes, ehe sie sich Catherine widmete. »Hören Sie nicht auf sie – sie sieht zu viel fern.«
»Tue ich nicht«, widersprach Alice. »Ich schwöre, es gab einen Fall wie diesen bei Mord ist ihr Hobby.«
Jede einzelne Person im Korridor erstarrte und fixierte Alice für einen Moment.
Hinter ihren Brillengläsern weiteten sich Alices Augen, und ihr Kinn ruckte trotzig nach vorn. »Naja, da war … natürlich könnte es auch Barnaby Jones gewesen sein … oder vielleicht Detektiv Rockford. Ist dieser James Garner nicht wundervoll?«
Während die Frau weiter über das Fernsehen schwatzte, sah Catherine, wie allmählich Leben in die Mitglieder des Clubs der Tratschbasen kam und einer nach dem anderen plötzlich einen dringenden Besuch in einem nahe gelegenen Krankenzimmer zu machen hatte.
Dem Fingerzeig folgend, schlüpften Catherine und Warrick zurück in Vivian Elliots Zimmer und ließen den armen David allein im Korridor zurück, wo Alice weitere Theorien darüber aufstellte, was einer alten Frau in irgendeiner Krimiserie widerfahren war, die sie entweder letzte Woche oder vielleicht auch vor fünfundzwanzig Jahren gesehen hatte.
»Wonach suchen wir genau?«, fragte Warrick, als sie ihre Ausrüstung auspackten.
Catherines Augen wanderten durch den Raum, verweilten für einen Moment auf der Leiche und suchten dann weiter. Sie war stolz auf ihre Fähigkeit, wichtige Merkmale eines Tatorts schon auf den ersten Blick zu erkennen, doch hier konnte sie nur den Kopf schütteln. »Ich habe keine Ahnung.«
»Ich hasse es, wenn so etwas passiert.«
Seufzend sagte Catherine: »Wir sollten einfach alles einsammeln, was wir finden. Vor allem jetzt, da wir wissen, dass es hier um Mord geht.«
Warricks Kopf ruckte zurück. »Wissen wir das?«
»Natürlich«, entgegnete Catherine, »es kam bei Barnaby Jones! Oder war es doch Quincy … ?«
Kopfschüttelnd und mit schiefem Lächeln zog Warrick seine Kamera hervor, nahm die Schutzkappe ab und fing an, Fotos zu schießen. Catherine kümmerte sich um die elektrostatische Abdruckerfassung am Fliesenboden. Die traurige Wahrheit lautete, dass das halbe Krankenhaus bereits in dem Zimmer gewesen war, nachdem Vivian Elliot gestorben war. Aber sollte es einen Mörder geben, dann mussten sich auch seine Schuhabdrücke hier befinden, und Catherine hoffte, sie – und der Computer – würden den des Täters identifizieren.
Als er mit den Aufnahmen von der Leiche fertig war, fotografierte Warrick jedes einzelne Stück der Einrichtung, jedes medizinische Gerät und jedes Möbelstück. Catherine beugte sich über den Plastikeimer für biologische Abfälle, nahm den Beutel heraus und kennzeichnete ihn als Beweismittel. Als sie fertig waren, hatte Catherine einen Berg von ungefähr fünfzehn Beweismittelbeuteln gesammelt, während Warrick mindestens sechs Filme zu je vierundzwanzig Bildern verknipst hatte.
Und doch hatte sie nicht ein einziges Detail angesprungen und gewispert: Es ist ein Verbrechen … ich bin wichtig …
David und seine Mitarbeiter brachten die Leiche weg, während Catherine und Warrick alles Übrige
Weitere Kostenlose Bücher