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Toedlicher Irrtum

Toedlicher Irrtum

Titel: Toedlicher Irrtum Kostenlos Bücher Online Lesen
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fortschafften. Als sie das Zimmer verließen, war das Bett inklusive Kissen abgezogen, und der Metallständer, an dem zwei verschiedene Beutel mit Infusionslösungen gehangen hatten, war ebenfalls leer. Das Gleiche galt für den Eimer mit den biologischen Abfällen und den Kleiderschrank. Außerdem hatte Catherine in verschiedenen Beuteln die Überreste von Vivian Elliots letztem Frühstück gesammelt, die auf einem Tablett zurückgelassen und offenbar ins Badezimmer geschafft worden waren, als die Frau ihren Herzstillstand erlitten hatte.
    Alice Deams lugte aus einer Tür heraus, als Catherine mit ihrer gruseligen Beute den Korridor hinunterschritt.
    »Hatte ich Recht?«, fragte Alice, deren Augen hinter den dicken Gläsern geweitet waren. »War es Mord?«
    »Wir wissen es nicht«, antwortete Catherine mit einem freundlichen Lächeln. »Wie kommen Sie überhaupt darauf?«
    »Oh! Nach all diesem Tumult!«, sagte Alice, als sie auf den Gang trat, um mehr Nähe, mehr Vertraulichkeit herzustellen. »Außerdem … es ist ja nicht so, dass uns nicht aufgefallen wäre, dass neuerdings mehr von uns sterben als sonst.«
    Catherines Ton blieb ungezwungen. »Meinen Sie?«
    »Oh, aber ja. In diesem Laden sterben sie wie die Fliegen!«
    Etwas verblüfft angesichts der zweifellos vom Fernsehen angeregten Formulierungskunst ihrer Gesprächspartnerin, fragte Catherine nach: »Wie lange leben Sie schon hier?«
    Alice zuckte mit den Schultern. Unter ihrem ausgeleierten Sweatshirt hatte sie die Arme vor der Brust verschränkt. »Bald zehn Jahre.«
    »Bekommen Sie Besuch von Verwandten?«
    Die Frau nickte strahlend, zog ein paar Schnappschüsse aus der Tasche ihres Sweatshirts und hielt sie so, dass Catherine sie sehen konnte.
    »Die trage ich immer mit mir herum«, verkündete Alice. »Mein Sohn, meine Schwiegertochter, ihr Junge und ihr Mädchen.«
    »Besuchen sie Sie oft?«
    »Ein- oder zweimal in der Woche. Sie fahren mit mir zum Einkaufen, und manchmal gehen sie mit mir ins Kino.«
    Catherine nickte. »Es ist gut, Kinder zu haben. Und Sie sagen, in zehn Jahren haben sich die Todesfälle noch nie so gehäuft?«
    »Eigentlich nicht. Der Club schickt bei jeder Beerdigung Blumen. Wir sammeln Geld, wissen Sie, und wir sorgen dafür, dass jeder auf einer Karte unterschreibt. Unser Blumenbudget für diesen Monat ist schon jetzt doppelt so hoch wie sonst, und der Monat hat noch eineinhalb Wochen! Die letzten Monate waren schwer.«
    »Wie das?«
    »An Orten wie diesem gewöhnt man sich daran, dass Menschen sterben – irgendwie. Trotzdem … darf ich Ihnen was erzählen, was sich … na ja … schrecklich anhört?«
    »Sicher. Nur zu.«
    Alice trat noch näher; sie roch nach Krankenhaus. »Wenn man in einem Pflegeheim lebt … und machen Sie sich nichts vor, junge Frau, das hier ist ein Pflegeheim … und man sieht, wie ein oder zwei Leute sterben, dann seufzt man erleichtert und denkt: puh. Aller Wahrscheinlichkeit wird es mich in diesem Monat nicht mehr erwischen.«
    »Aber neuerdings …«
    »Neuerdings? Nichts ist mehr sicher.«
    Catherine atmete tief durch und sagte: »Alice, wir werden uns diese Sache genau ansehen, aber ich bin überzeugt, es gibt nichts, um das Sie sich sorgen müssten.«
    Alice Deams sah keineswegs überzeugt aus. Dann drehte sie sich um und trottete den Korridor entlang. Wahrscheinlich sah sie David und seinen amtlichen Leichenwagen ein bisschen zu häufig.
    Catherine sagte sich wieder und wieder, dass es nicht ungewöhnlich war, wenn vier ältere Menschen in einer Einrichtung wie dieser innerhalb eines Monats starben. Die Hitze war nicht ungefährlich für den Kreislauf alter Menschen, und das mochte durchaus eine Rolle spielen, auch wenn das Sunny Day vollständig klimatisiert war.
    Später, als Catherine mit ihrer Ausrüstung den Gang hinunterging, kam Vega aus Whitings Büro heraus auf sie zu. Er sah nicht sonderlich glücklich aus.
    »War die Diagnose vom Doktor nicht richtig?«
    »Der Bursche ist ein totales Wrack«, meinte Vega kopfschüttelnd. »Er könnte beinahe selbst ein Patient sein.«
    »Was hat er für ein Problem?«
    »Das Übliche. Er sieht nur noch Prozesse, die Kunstfehlerversicherung und einen Haufen anderer möglicher schlechter Nachrichten, die ihn während seines Dienstes heimsuchen könnten.«
    »Wird er noch eine Frage überstehen?«
    Sie klopften an Whitings Bürotür und wurden auch dieses Mal hereingebeten. Drinnen fanden sie den zerstörten Arzt hinter seinem Schreibtisch, den Kopf

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