Toedlicher Irrtum
dem Schreibtisch. Warrick hatte sich dieses Mal gegen die Couch entschieden und lehnte sich an die Tür.
Der Detective vergeudete keine Zeit. »Unser kriminaltechnisches Labor hat eine Autopsie durchgeführt. Die Beweise deuten darauf hin, dass Vivian Elliot ermordet wurde.«
»Das ist furchtbar«, sagte Whiting sichtlich überrascht.
Catherine fragte sich, ob er meinte, es sei furchtbar für Vivian, dass sie ermordet wurde, oder ob es furchtbar für Sunny Days Ruf war.
Der Arzt beugte sich vor. »Wissen wir, wie das passiert ist?«
Das »wir« des Arztes erinnerte Catherine an Ärzte, die ihre Patienten bei der Visite mit »Wie fühlen wir uns denn heute?« begrüßen.
»Darüber kann ich zu diesem Zeitpunkt nichts sagen, Doktor«, entgegnete Vega. »Aber die Kriminalisten und ich werden die Akten aller Angestellten mit sämtlichen Hintergrundinformationen benötigen.«
Whiting seufzte, sagte aber nur: »Ich verstehe.«
Vega zog seinen Notizblock hervor. »Ich brauche die Namen von Vivians Pflegern.«
»Da muss ich die Akten befragen. Wann brauchen Sie die Namen?«
»Sofort wäre gut«, entgegnete Catherine.
Whiting griff nach einer Akte auf seinem Schreibtisch. Seine Worte hatten den Eindruck erweckt, es würde eine Weile dauern, die Akte zu holen. Stattdessen lag sie direkt vor seiner Nase – offenbar hatte er bereits damit gerechnet, dass er sie brauchen würde.
»Kenisha Jones …«, las er vor. »Rene Fairmont … und Meredith Scott.« Er legte die Akte ab. »Das waren die zuständigen Personen, aber dazu kommen diverse Schwestern, die sich um irgendwelche Kleinigkeiten gekümmert haben.«
Vega notierte die Namen. »In welcher Schicht arbeiten die drei?«
»Kenisha arbeitet tagsüber, Rene hat die zweite Schicht und Meredith arbeitet in der Nachtschicht.«
»Was können Sie uns über sie erzählen?«
»Nichts, außer dass sie ordentliche Arbeit leisten«, sagte Whiting und breitete die Hände aus. »Offen gestanden weiß ich nicht, welche Art Information Sie interessieren könnte. Halte ich es für möglich, dass eine von ihnen Vivian oder irgendeine andere Patientin getötet hat? Nein, natürlich nicht.«
»Können Sie uns Genaueres über ihre individuelle Arbeitsleistung erzählen?«
»Ich arbeite selten mit Meredith zusammen, wie Sie sich vielleicht vorstellen können – ich bin nachts nicht oft hier. Was die anderen beiden betrifft: Kenisha ist eine hervorragende Schwester. Ich arbeite mit ihr zusammen, seit ich hier bin. Rene, die Schwester aus der zweiten Schicht, kümmert sich nach meinem Eindruck auch hingebungsvoll um ihre Patienten. Ich hatte mit keiner der beiden je ein Problem.«
Vega blickte von seinen Notizen auf und fragte: »Seit wann sind Sie hier tätig, Doktor?«
»Im letzten April waren es zwei Jahre.«
»Gibt es einen besonderen Grund, warum Sie im Sunny Day arbeiten und nicht in einem größeren Krankenhaus?«
»Oder in einer privaten Praxis?«, ergänzte Catherine.
Whiting klappte die Akte auf seinem Schreibtisch zu und schob sie zur Seite. »Ich betrachte die Medizin als meine Berufung«, sagte er, sorgsam auf seine Wortwahl bedacht. »Ich brauche ein langsames Tempo. Das Tempo der großen Krankenhäuser oder Privatpraxen tut meinem Temperament nicht gut. Ich bevorzuge das Tempo im Sunny Day. Vielleicht sollte ich besser sagen, ich habe es bis vor acht Monaten bevorzugt.«
»Wie das?«
»Sie sind hier, oder? Die Dinge geraten mehr und mehr außer Kontrolle, und bis Ihr stellvertretender Leichenbeschauer Verdacht geschöpft hat, haben wir diese Todesfälle wohl alle ganz schlicht auf eine Pechsträhne geschoben.«
»Menschen sterben und Sie nennen das eine Pechsträhne?«, fragte Catherine.
»Ich wollte nicht respektlos erscheinen«, sagte Whiting. »Alles andere als das. Es ist nur so, dass dies nicht die erste Pflegeeinrichtung ist, in der ich arbeite, und über die Jahre stellt man fest, dass sich Todesfälle tatsächlich manchmal auffallend häufen.«
»Leben und Tod«, kommentierte Catherine. »Nur ein neues Spiel in Vegas.«
»Ich sagte schon, dass ich alles andere als leichtfertig bin. Aber manchmal vergehen Monate ohne einen einzigen Todesfall, und dann, plötzlich …« Er schnippte mit den Fingern, einmal, zweimal, dreimal. »… sterben drei Leute in einem einzigen Monat. Dann passiert wieder einen Monat nichts, und danach sterben wieder ein oder zwei. Sie müssen das verstehen – in den verschiedenen Trakten von Sunny Day leben über
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