Tödlicher Kick
den Kindern Toleranz für andere Kulturen beizubringen. Nicht nur meinen eigenen, auch denen, die zum Persischunterricht zu mir kommen. Und ich glaube, das gelingt mir ganz gut.«
Seine Frau drehte sich um und verschwand. Als hätte sie meine nächste Frage kommen sehen und sich vor ihr verstecken wollen.
»Warum trägt Ihre Frau dann ein Kopftuch?«
Mongabadhis Lippen wurden schmal: »Das ist ihre eigene Entscheidung.«
Es gelang mir wohl nicht, meine Skepsis glaubhaft zu verbergen, denn er fügte hinzu: »Sie können gern meine Tochter Shirin fragen. Ich lege keinen Wert darauf, im Gegenteil.«
Seine Stimme wurde aufgebracht lauter, er bemerkte es und atmete durch, bevor er ruhig weitersprach: »Aber genau aus diesem Grund befehle ich meiner Frau auch nicht, das Kopftuch abzunehmen. Obwohl sie es dann vielleicht sogar täte.«
Er verschränkte die Arme.
»Sophie hätte ich sehr gern weiter an Orans Seite gesehen. Sie ist wie eine Tochter für uns und kann mittlerweile genauso guten Linsenreis machen wie Elisha und Shirin. Wir haben, ehrlich gesagt, noch immer gehofft, dass sich die beiden wieder vertragen würden.«
Sophie hatte nicht nur Oran Mongabadhis Wunsch, keinen Sex vor der Ehe zu haben, respektiert, sondern auch orientalisch kochen gelernt? Sie musste wirklich schwer verliebt gewesen sein.
»Ich hätte mir gewünscht, Oran hätte wenigstens noch ein Mal mit Sophie gesprochen, Respekt gezeigt«, seufzte Mongabadhi. »Aber er hat immer wieder seine Handynummer gewechselt, hat sie einfach ignoriert. Sie war völlig verzweifelt.«
»Bratkartoffeln mit Spiegelei«, sagte Danner. »Oder warte mal – gibt es eigentlich noch Spargel?«
Wir hatten unseren Wagen erreicht und stiegen ein.
»Die Mutter trägt ein Kopftuch«, wehrte ich mich halbherzig dagegen, die angekratzte Familienehre als Mordmotiv auszuschließen.
»Die Tochter nicht. Und der Vater wirkt auf mich nun wirklich nicht wie ein Radikaler.«
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ein Neunzehnjähriger von selbst auf die Idee kommt, als Jungfrau in die Ehe zu gehen? Das haben ihm die Eltern eingeimpft!«
»Spaghetti mit Lachs-Sahne-Soße.«
»Auch Familien, die nach außen hin gut integriert scheinen, zwangsverheiraten ihre Töchter schnell mal während des Urlaubs in der alten Heimat. Das liest man doch ständig.«
»Rinderrouladen mit Rotkohl.«
»Seh ich aus wie Sarah Wiener? Ich versuch es mit Bratkartoffeln.«
16.
Danner betrachtete in Gedanken versunken den Zettel. Wir saßen in unserer kleinen Küche, die bis vor sehr, sehr kurzer Zeit der mit Abstand sauberste Raum unserer Wohnung gewesen war. Aus dem einfachen Grund, weil sie nur zum Hanteltraining benutzt wurde. Neben dem Tisch mit den drei Stühlen gab es einen alten Herd, einen Geschirrspüler und eine zwei Meter hohe, gähnend leere Kühl-und-Gefrier-Kombination. Kartoffeln, Zwiebeln, Speck, Eier und sogar die Butter hatte ich aus Molles Vorratskammer gemopst.
Unter dem Küchentisch rollte Danner mit dem Fuß die Langhantel auf dem Boden hin und her, während ich seit einer gefühlten Stunde Kartoffeln schälte.
Bei dem Zettel, der die Aufmerksamkeit meines Freundes fesselte, handelte es sich um meine nun nicht mehr imaginäre Verdächtigenliste.
Unter dem rechtsradikalen Fan , Curlys Vater, Esmeralda und den streitlustigen Mannschaftskollegen Tilmann und Gutschenk hatte Danner triumphierend Sophie Meister notiert. Ich hatte trotzig Orans Vater ergänzt, pellte aber trotzdem die heißen Kartoffeln.
Jetzt bemerkte ich, dass Danner mich kopfschüttelnd beobachtete.
»Du hast wirklich noch nie gekocht, oder?«
»Stell dir vor, für so was gibt’s Personal«, erklärte ich, zugegebenermaßen versnobt. Aber es stimmte. Ich hatte zwar heimlich gekellnert, aber nie in einer Küche ausgeholfen.
»Personal?« Danner wiederholte das Wort so schockiert, als hätte ich gestanden, niedliche, kleine Hauselfen versklavt zu haben.
»Damit du endlich mal was auf die Rippen kriegst, Liliana.« Die gemütliche, runde Frau mit den schulterlangen, grauen Locken schob mir eine Schüssel mit dampfend heißem Milchreis unter die Nase. Ihre blütenweiße Schürze spannte besorgniserregend über ihrer Oberweite. Und als sie mir zuzwinkerte, bildeten sich unzählige Lachfältchen in den Winkeln ihrer blauen Augen. Francesca.
Einen Moment lang hatte ich den Duft von Zucker und Zimt in der Nase. Und irgendwie hatte meine Erinnerung an die Haushaltshilfe verdächtige Ähnlichkeit mit
Weitere Kostenlose Bücher