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Tödlicher Kick

Tödlicher Kick

Titel: Tödlicher Kick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Krankenschwester mit grauer Achtzigerjahrefrisur im praktischen Vokuhila-Look schien mein später Besuch nicht zu wundern.
    Weil ich die offiziellen Besuchszeiten verpasst hatte, hatten sich zuvor ihre Kolleginnen hinter dem Tresen angestellt.
    Die Pflegerin stöpselte den seitlich am Bett baumelnden, mit braungelber Flüssigkeit gefüllten Urinbeutel ab. Als sie sich erhob, sah sie mich mit ernstem Gesicht an.
    »Er wehrt sich extrem gegen die künstliche Beatmung. Sobald die Wirkung der Medikamente nachlässt, gerät er in Panik. Wir hatten im Laufe des Tages mehrere kritische Situationen.«
    Mein Blick glitt über den Plastikschlauch, der unterhalb des vorstehenden Kehlkopfes in einer Mullkompresse verschwand.
    Die Krankenschwester strich dem alten Mann freundlich über die verkrampften Finger auf der dünnen Bettdecke.
    »Er versteht nicht, was mit ihm passiert. Sein Denkvermögen war offenbar ja schon vor dem Schlaganfall eingeschränkt.« Sie verschwand mit dem Urinbeutel im angrenzenden Badezimmer, wo es gleich darauf plätscherte.
    Ich kannte den beißenden Gestank: Desinfektionsmittel, Urin und Tod.
    Danners Vater starb. Während sein Sohn bei Molle in der Kneipe saß und tat, als ob ihn das nicht anginge.
    17.
    Ein dumpfes Poltern weckte mich. Erschrocken fuhr ich hoch.
    Danner fluchte.
    Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was passiert war: Beim Versuch, aus dem Bett zu steigen, war Danner auf allen vieren gelandet.
    Wütend schleuderte er die Daunendecke zurück auf die Matratze, schlurfte nackt in Richtung Tür und eckte mit der Schulter am Rahmen an.
    »Wann warst du gestern im Bett?«, rief ich ihm nach.
    »Zu spät«, knurrte er. »Siehste doch.«
    Ich stand auf, griff mir eines seiner dunklen T-Shirts und zog es über den Kopf, bevor ich ihm folgte.
    Im Bad lehnte Danner an die Wand gestützt über der Wanne und ließ sich kaltes Wasser in den Nacken brausen.
    Klar, trank Danner Alkohol. Schon aus Gewohnheit hatte er abends in der Kneipe ein Bier in der Hand. Und bei unserem letzten Fall waren es mit den Kumpels aus der Kleingartenkolonie auch mal ein paar mehr geworden. Aber dass er die Kontrolle verlor, hatte ich noch nie erlebt.
    »Willst du heute im Krankenhaus vorbeifahren?«, begann ich.
    »Nein.«
    »Anrufen?«
    Ich erhielt ein gereiztes Knurren als Antwort.
    »Du solltest wenigstens mal zurückrufen«, schnappte ich giftig.
    Danner fuhr herum und funkelte mich eisig an. Seine Oberarme, Oberschenkel und Schultern spannten sich. Sah aus, als hätte er gerade ein Langhantel-Workout hinter sich. Seine aufgepumpten Muckis und die angestaute Aggression, die nur ein Ventil zu suchen schien, ließen mich verstummen.
    Bockig verschränkte ich die Arme vor der Brust.
    Danner hielt seinen Kopf wieder unter den Wasserstrahl.
    Na schön, hielt ich eben meine Fresse.
    Eine Dreiviertelstunde, drei Aspirin und einen Liter Kaffee später stand Danner auf dem Parkplatz hinter dem Stadion und hielt sich den höchstwahrscheinlich schmerzenden Kopf.
    Geschah ihm recht.
    Zwei Promille weniger und ihm hätte das bunte Tohuwabohu vielleicht nichts ausgemacht. Denn wir waren nicht die Einzigen, die sich an diesem Montagmorgen an der Stelle, an der Oran Mongabadhis Leiche gefunden worden war, eingefunden hatten.
    Mindestens dreihundert Menschen hatten sich auf dem Stadionparkplatz versammelt. Plus einige Journalisten, deren übermüdete Gesichter verrieten, dass sie bereits seit gestern ausharrten.
    Die Polizei war längst abgerückt, die Spuren des Verbrechens beseitigt, der Tatort gereinigt. Dafür war der Parkplatz mit Blumen, Kerzen, blau-weiß gekleideten Stofftieren und Abschiedsbriefen geflutet worden.
    Die Menschenansammlung hatte sich interessanterweise farblich sortiert. Viele trugen natürlich Blau: die VfL -Fans. Die weiblichen waren in deutlicher Überzahl.
    Ein Stück entfernt wehten die grünen Flaggen des Islam. Die Trauernden waren nicht dunkel gekleidet, fiel mir auf. Ich sah Weiß, Blau oder neutrale Farben. Alltagsklamotten. Manche trugen Kopftuch oder Bart, andere nicht.
    Ich erinnerte mich an Oran Mongabadhis Schwester Shirin, die kurz nachdem sie vom Tod ihres Bruders gehört hatte, ganz in Weiß gekleidet gewesen war. Und die Mutter zusammengewürfelt bunt. Vielleicht gab es im Islam die Tradition, mithilfe schwarzer Kleidung seine Trauer auszudrücken, gar nicht, überlegte ich.
    Die Moslems hielten Abstand zu den Regenbogenfahnen. Mongabadhis Einsatz im Fanclubstreit seines Kumpels

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