Tödlicher Kick
Dietmar Wöhler hatte ihm die Sympathie einiger Schwuler und Lesben eingebracht. Außerdem hatte eine Gruppe Linker Stellung bezogen. Sie protestierten offenbar schon mal prophylaktisch gegen Gewalt von Rechts.
Danner wich stöhnend vor dem Lärm zurück. Ich folgte ihm in den Schatten der blauen Fassade des Stadioncenters. Wir stellten uns neben den Fanshop im Erdgeschoss des nur durch einen überdachten Gang vom Stadion getrennten Gebäudes. Vor dem Fußballspiel hatten Danner und Staschek mir hier den obligatorischen Fanschal gekauft.
Mir fiel ein Mann auf, der gerade den Verwaltungstrakt verlassen hatte. Er hielt inne und betrachtete die Menschenmenge auf dem Parkplatz. Ein rötlicher Bartschatten schimmerte auf seinem markanten Kinn. Zur schwarzen Sportjacke mit Pfotenabdruck und VfL -Käppi trug der Mann einen lässig um den Hals geschlungenen, dunklen Seidenschal.
Als er meinen Blick bemerkte, wandte er sich ab und steuerte zielstrebig auf den gegenüberliegenden Trainingsplatz zu. Offenbar besaß er einen Schlüssel für das Tor im Stahlzaun, denn er schlüpfte hindurch und kürzte den Weg über den Rasen ab.
Ich tippte Danner an. »Sag mal, ist das nicht …?«
Danner folgte meinem Blick und pfiff durch die Zähne: »Goldi.«
Sieh an. Der Trainer höchstselbst.
»Der läuft hier rum?«
»Immerhin arbeitet er ja hier. Und fliegen kann er vermutlich dann doch nicht. Aber Fragen beantworten«, schaltete Danner.
Goldstein war gut zu Fuß, er hatte die andere Seite des Trainingsplatzes fast erreicht.
»He! Hallo!« Danner fing an zu laufen, wurde aber von dem hohen Maschendraht gleich wieder gebremst. Er rüttelte am Tor, doch der Trainer hatte das Vorhängeschloss hinter sich einschnappen lassen. Außen am Zaun entlang, um das ganze Fußballfeld herum, würden wir ihn nicht mehr einholen.
»Und hopp!« Danner faltete kurzerhand die Hände zur Räuberleiter. Er hob mich hoch und ich kletterte über den Zaun. Danner griff sich stöhnend an die Stirn, als er gleich darauf neben mir am Spielfeldrand landete.
»He! Was wollen die denn?« Ich zupfte an Danners Jacke. Drei dunkle Gestalten hatten sich Goldstein in den Weg gestellt. Bullige, breitbeinige Typen, die bereits aus der Entfernung bedrohlich wirkten.
»Die sehen nicht nach seinen Kumpels aus der VIP-Lounge aus«, fand ich.
Im gleichen Augenblick stürzte sich einer der Angreifer auf den Trainer.
»Ey!«, brüllte Danner. »Weg da!«
Als ich losrannte, ging Goldstein zu Boden. Ein quadratischer Typ packte mit der Hand in sein Gesicht und presste den Kopf des Trainers in den Rasen. Goldstein rutschte sein Käppi vom Kopf und seine roten Haare leuchteten auf.
Jetzt bemerkten die beiden Hilfsschläger, dass Danner und ich auf sie zurannten. Sie ergriffen die Flucht.
Der Quadratische hingegen prügelte weiter auf den am Boden liegenden Goldstein ein. Danner packte den Schläger am Kragen und riss ihn zur Seite. Ich griff mit beiden Händen seinen linken Arm, während Danner dem gedrungenen Mann die Faust auf den Rücken drehte.
»Ssson gut, ich halt ja die Füssse sstill!«
In meinen Gedanken erschien ein Bär mit Zahnspange. Verblüfft lockerte ich meinen Griff.
Der Mann machte keinen Versuch, sich zu wehren oder wegzulaufen. Danner zog sein Telefon hervor, um Polizei und Krankenwagen zu ordern, und ich half Simon Goldstein beim Einsammeln seiner Zähne. Der Trainer setzte sich mühsam auf, spuckte ein wenig Blut aus und wischte sich mit dem Ärmel seiner teuren Jacke Erde und Gras aus dem Gesicht.
»Wie geht’s?«, erkundigte ich mich.
Mein Anblick hellte die Miene des Mannes reflexartig auf: »Gleich besser.«
Sein Blick war wach und durchdringend und seine dunkelgrauen Augen bildeten einen interessanten Kontrast zu dem kupferroten Haar. Aus der Nähe betrachtet war er unerwartet attraktiv. Ich schaute einen Moment länger hin als nötig.
Goldstein versuchte, auf die Füße zu kommen. Ich griff seinen Arm und zog ihn hoch.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe, Frau …?«
»Ziegler. Lila Ziegler.«
»Ich hab schon immer davon geträumt, dass mir eine schöne, junge Frau mal das Leben rettet, Lila.«
Bäh! Angeekelt ließ ich Goldsteins Arm los.
Sein Blick glitt von meinem Gesicht über meinen Körper, während er sich den Ärmel auf den Mund presste. Es war einer dieser Blicke, bei denen frau spürt, wie Oberweite und Taillenumfang gescannt und das Alter geschätzt werden und der mir spontan das Gefühl vermittelte, eine windschnittige
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