Tödlicher Kick
unmittelbar zu spüren. Sein Griff in meinen Haaren, sein Gewicht auf meinem Körper, seine Zunge in meinem Mund und seine Bewegungen in mir.
Ich drohte, in tausend Teile zu zerspringen. Ich schlang die Beine um seine Hüften und erwiderte seinen Kuss heftig.
Tief in mir hielt er inne und sah mich an.
Ich stöhnte auf.
Verdammt, er wusste genau, dass er mich so weit hatte. Ich wurde wahnsinnig, wenn er nicht sofort weitermachte!
»Komm«, sagte Danner. »Jetzt.«
Okay?!
Ich ließ los und mein Körper gehorchte ihm tatsächlich. Der totale Kontrollverlust raubte mir die Sinne.
Hammer.
Als ich wieder zu mir kam, hatte Danner den Kopf auf eine Hand gestützt, mit dem Zeigefinger der anderen fuhr er mein Schlüsselbein entlang.
Auf meiner Brust lagen ein Zettel und ein Kugelschreiber.
Verwundert griff ich nach dem Papier.
Text. Ein Computerausdruck.
Wo hatte er den denn so schnell hergeholt?
»Ich dachte, dein Name auf dem Türschild reicht«, sagte Danner.
Mietvertrag, las ich die fett unterstrichene Überschrift.
»Bisher hatte ich gar keinen«, erklärte er. »So konnte Molle mich wenigstens nicht wegen der Mietrückstände verklagen. Aber wenn wir beide unterschreiben, kann ich dich nicht mehr vor die Tür setzen, selbst wenn ich es in geistiger Umnachtung noch mal versuchen sollte.«
Schlagartig war ich wach. Ich setzte mich auf und klickte die Mine aus dem Kugelschreiber.
»Dann denk dran, dass ich dich ab jetzt von der Polizei abholen und in der Arrestzelle ausnüchtern lassen kann«, grinste ich, als ich meinen Namen auf das Papier kritzelte.
»Was auch gestern ein geistreicheres Vorgehen gewesen wäre«, parierte Danner meinen Seitenhieb.
Touché.
»Und was machen wir nun?«, erkundigte ich mich.
»Wir warten auf einen Termin bei Curly im Knast«, schlug Danner arglos vor.
»Ich spreche von deinem Vater.«
Danners Blick wanderte auf den Mietvertrag in meiner Hand. Dann zu mir. Ohne eine Miene zu verziehen.
Pokerface.
Pappkopp.
»Abwarten und Tee trinken«, schlug er vor.
»Die nächsten zehn Jahre?«, wollte ich wissen.
»Ich weiß es nicht, verdammt!« Ruckartig stand er auf, schnappte sich seine Jeans und stieg hinein.
»Hast du dir denn je Gedanken gemacht, was mit dir selbst in so einem Fall passieren soll?«, erkundigte ich mich.
Danner schwieg.
Ich winkte mit dem Mietvertrag. »Hast du?«
Er zog seinen Gürtel stramm. Dann griff er in die Gesäßtasche seiner Jeans, zog ein schwarzes Lederetui hervor und hielt es mir hin. Seine Brieftasche?
»Guck rein, bevor ich es mir anders überlege.«
Als ich sie aufklappte, sah ich seinen Personalausweis und eine Ecke seines Führerscheins, der hinter einem zusammengefalteten Zettel hervorguckte.
Danner zupfte das Papier hervor und gab es mir.
Ich spürte mein Herz beschleunigen.
Danner hatte sich wirklich Gedanken für den Ernstfall gemacht?
Als Erstes registrierte ich das Datum. Groß und deutlich, oben rechts über dem kurzen Textabschnitt: Mai 1995 .
Den Zettel hatte er vor beinahe zwanzig Jahren geschrieben!?
Handschriftlich. Ich erkannte seine flüssige, stark nach rechts geneigte Handschrift, obwohl er damals ein paar Schnörkel weniger gemacht hatte als heute.
Ich musste mich bemühen, den Zettel ruhig zu halten.
Bochum, Mai 1995,
hiermit erkläre ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, daß ich jede Art lebenserhaltender Maßnahmen, unabhängig von Situation und Prognose, ablehne.
Ben Danner
Unabhängig von Situation und Prognose?
»Wenn du im Fall deines Vaters dem Abschalten der Maschinen zustimmen würdest, würdest du ja nur tun, was du für dich selbst auch willst«, erklärte ich erstaunt.
Danner blinzelte, als hätte ich ihn geweckt.
Ich stopfte den Zettel zurück ins Etui.
24.
Die Chefneurologin, die uns in ihr Büro gebeten hatte, war eine Frau mit dunklem Pagenkopf, Knopfaugen und abstehenden Ohren. Sie sah aus, als hätte sie seit zwei bis drei Wochen nicht geschlafen. Die beinahe senkrechten Falten, die sich von ihrer Stupsnase zu den seitlichen Enden ihrer schmalen, farblosen Lippen hinunterzogen, gruben sich tiefer in ihr Gesicht, als Danner seine Unterschrift unter einen kurzen Text kritzelte.
Eine halbe Stunde war er im Wohnzimmer auf und ab gelaufen, wie ein Panther am Käfiggitter, bevor er »Dann sofort« gesagt hatte.
»Ich hätte an Ihrer Stelle genauso entschieden, Herr Danner.« Die Neurologin rückte ihren Drehstuhl seitlich hinter dem schweren Schreibtisch hervor, damit die
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