Tödlicher Kick
murmelte der Notarzt. »Ungewöhnlich hart.«
»Hmm«, stöhnte ich genervt.
Typischer Fall von Möchtegerngott-in-Weiß. Statt zuzugeben, dass er keine Ahnung hatte, was mit meinem Kiefer los war, hmmte er eine Ewigkeit vor sich hin.
»Könnte sich um ein Knochenfragment des os mandibularis handeln. Ich mach Ihnen vorsichtshalber nach dem Röntgen gleich eine OP klar.«
Bevor er mir womöglich zu einer überflüssigen Notoperation verhalf, sagte ich: »Plattenosteosynthese nach Mandibulafraktur vor zwei Jahren.«
»Oh«, machte der Arzt gleichbleibend wortgewandt. »Nun, dann erst mal nur zum Schädelröntgen.«
Er kritzelte einen Vermerk in seinen Bericht, der auf dem Kopf stehend betrachtet wie med. vorgebildet aussah. Eine Warnung an alle Kollegen, die es gleich im Krankenhaus mit mir zu tun bekamen. Dabei gehörte ich lediglich zu der unbequemen Sorte von Patient, die ihre Krankenakte nicht nur las, sondern sich auch merkte, was drinstand.
»Ich spreche kein Latein«, erinnerte mich Danner. »Was ist mit deinem Gesicht los?«
»Es ist mit einer Metallplatte zusammengeschraubt worden«, klärte ich ihn auf. »Nach einem Kieferbruch. Vor zwei Jahren.«
Der Rettungswagen hielt vor dem grell erleuchteten Eingang der Notaufnahme. Ich war froh, dass Danner Nandi hatte überzeugen können, meine Klamotten rauszurücken. So trug ich jetzt zumindest meine Jeans unter meiner Cordjacke.
Eine kleine Krankenschwester stand mit einem Rollstuhl bereit. Danner legte einen Arm um meine Taille, als er mir beim Aussteigen half, und mir wurde warm.
Die kleine Schwester schob mich ins Innere des gewaltigen Gebäudes, einen vom Neonlicht flimmernden Flur entlang, zur Röntgenabteilung.
Jacke aus. Bleischürze. Schutzbrille.
Ein Pochen im Hinterkopf und im Kiefer.
»Entdecken wir beim Röntgen etwas Auffälliges, müssen wir ein CT vom Schädel Ihrer Tochter machen, Frau Simanowski-Ziegler. Wir haben ihr vorsichtshalber schon mal etwas zur Beruhigung gegeben, denn die Injektion des Kontrastmittels ist bei so kleinen Kindern erfahrungsgemäß schwierig. Im schlimmsten Fall müssen wir rasch eine Notoperation veranlassen. Bei einer starken Blutung oder Schwellung des Gehirns wird ein Stück Schädeldecke entfernt, um der betroffenen Region Platz zu verschaffen.«
Das alles hatte ein Arzt meiner Mutter bereits vor vierzehn Jahren erklärt, nachdem ich mit einem Schädelbruch eingeliefert worden war. Die Worte hatte ich nie vergessen.
Ich schloss die Augen, als das Aufnahmegerät klickerte. Meine Schädeldecke wollte ich behalten, bitte.
Eine mollige Ärztin mit flusigem, blondem Haar steckte die Röntgenbilder bereits in die Halterungen vor der beleuchteten Wand, während ich mir noch meinen Pullover überzog.
Danner betrachtete mit zusammengekniffenen Augen die Fotos meines Schädels. Die Metallplatte in meinem Kiefer war als kleines, leuchtend weißes Viereck zu erkennen.
Die Ärztin hatte Tränensäcke, eine knubbelige Nase und ein knubbeliges Kinn und wirkte entweder verschnupft oder verheult. Mit dem Finger fuhr sie über eines der Bilder, erst über den Unterkieferknochen, dann über die Rundung meines Schädels.
»Sie haben Glück gehabt, Frau Ziegler. Es sind keine neuen Frakturen zu erkennen«, schniefte sie schließlich. »Jetzt geht es weiter in die Gynäkologie, die Kollegen erwarten Sie bereits.«
Ihre Worte schnürten mir den Hals zu.
»Nehmen Sie den Fahrstuhl am Flurende. Zweiter Stock, links.«
Ich betete, dass mich eine Frau untersuchen würde. Alles andere würde ich nicht ertragen.
»Frau Ziegler?« Eine Frau mit dunklem Pferdeschwanz, geröteten Wangen und weißem Kittel lugte aus der Tür des Untersuchungszimmers, als Danner und ich aus dem Fahrstuhl traten.
Tausend Dank! Wer immer da oben auch die Dienstpläne der heutigen Frühschicht koordiniert hatte.
»Kommen Sie?« Die Ärztin lächelte aufmunternd.
Ich schluckte. Meine Knie schienen plötzlich aus Pudding zu sein, ungeeignet, mein Körpergewicht in den Untersuchungsraum zu transportieren. Wenn Nandi gelogen hatte, würden die nächsten Minuten mein Leben für immer verändern.
»Soll ich mitkommen?«, erkundigte sich Danner.
Ich sah ihn überrascht an.
Er zuckte die Achseln: »Es gibt ja nichts zu sehen, was ich nicht sowieso schon kenne.«
Fünf Minuten später war die Untersuchung vorbei.
Die Ärztin zog sich die Handschuhe aus und ich hob hastig meine Beine aus den Halterungen des Untersuchungsstuhls.
»Keine Verletzungen,
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