Tödlicher Kick
geworden.«
Das Wort ›Liebling‹ erzeugte einen Nachhall in meinem Kopf.
»Wer war denn vor Mongabadhi sein Schnuckelchen? Sie zufällig?«
Ganz kurz sackte Gutschenks Mundwinkel nach unten.
»Unser Nesthäkchen hier natürlich«, fing er sich sofort und tätschelte Jankowski den rasierten Kopf.
Dessen Haltung verschlechterte sich noch ein wenig mehr.
»Hallo? Frau Ziegler! Warten Sie mal!«
Danner und ich waren den Flur hinaufgegangen, einen hell erleuchteten Tunnel entlang, an dessen Ende wir plötzlich in einem Bergwerksstollen landeten. Mit Holz abgestützte Grubengänge führten offenbar unterirdisch von den Kabinen im Stadioncenter in Richtung Spielfeld.
Justin Jankowski holte uns am Stolleneingang ein. Zum ersten Mal sah er mich direkt an. Mir fielen seine ausdrucksvollen, blauen Augen mit den langen Wimpern auf.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Oran wechseln wollte. Schon gar nicht zu Schalke«, stammelte er. »Das war nur ein dummes Gerücht … Und wegen … wegen Ihrer Frage …« Das Stottern verstärkte sich. »Sie wollten doch wissen, warum wir – ich – warum ich das mache.«
Ach so. Im Gegensatz zu den anderen Unterstützern der Sexarbeit schien ein Bordellbesuch für Justin Jankowski keine Selbstverständlichkeit zu sein.
»Ich kann nicht aufhören«, gestand er leise. »Es ist wie eine Sucht.«
27.
»Das Ding, mit dem die denken, muss eigentlich ab«, grollte Danner, während er den Spitfire den Castroper Hellweg hinunter in Richtung Innenstadt lenkte.
»Bei Gutschenk könnte ich das erledigen«, bot ich an. »Oder wir präsentieren ihn der Kripo als unverbrauchten und medienwirksamen Neuverdächtigen.«
Danner grinste, doch das Lachen erreichte seine Augen nicht. Kein Grübchen.
»Wie geht’s dir?«, wollte ich wissen.
Danner schwieg.
»Wegen deines Vaters, meine ich.«
Schulterzucken.
»Hättest du es doch lieber anders gemacht?«, präzisierte ich.
Sein Knie entfernte sich von meinem.
»Schon klar«, seufzte ich. »Ist nicht der Rede wert. Geht ja jeder am nächsten Tag weiterarbeiten.«
»Ich bin froh, dass es endlich vorbei ist, okay?«, schnauzte er. »Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich mich beschissen fühle.«
Nach kurzem Überlegen ergänzte er: »Und ich würde mich liebend gerne heute Abend volllaufen lassen.«
Mir fiel keine Antwort ein. Mein Freund war nicht der einzige Kommunikationslegastheniker in unserer Beziehung.
»Nervensäge«, ergänzte Danner nach kurzem Schweigen. Dann kam er ohne Überleitung wieder auf unseren Fall zurück: »Bei Gutschenk kann ich jedenfalls kein Motiv für den Mord entdecken.«
»Vielleicht ein gewisser Hang zum Sadismus?«, gab ich zu bedenken.
Danner schüttelte den Kopf: »Einem Möchtegern-Hannibal-Lector wäre was Spannenderes eingefallen, als Mongabadhi zu erschießen.«
Das stimmte vermutlich.
»Aber bei Justin Jankowski sieht es anders aus«, dachte ich laut weiter. »Der könnte ein Motiv haben.«
»Weil Mongabadhi ihm den Platz als Goldsteins Schnuckelchen streitig gemacht hat?«
»Weil ihm – im Gegensatz zu den anderen – seine Bordellbesuche peinlich sind«, erklärte ich.
Danner pfiff durch die Zähne.
»Drei, zwei, eins – und hoch! Drei, zwei, eins … komm schon! Zieh durch!«
Das Trainingscenter an der Universitätsstraße bestand aus einem einzigen, schlauchförmigen Raum mit einer verspiegelten Seitenwand. Das Ambiente erinnerte an einen schlecht beleuchteten Tunnel, vor dessen Eingang ein zusammengezimmerter Empfangstresen stand. Weil sich rechts vom Fitnessstudio eine Secondhandboutique und links ein Elektronikshop befanden, gab es keine Fenster und von den zahlreichen Neonröhren unter der Decke funktionierte nur etwa die Hälfte. Trotzdem klackerten die Trainingsgeräte, die Stahlgewichte schepperten unermüdlich aufeinander und im Hintergrund lief Musik, die nur aus Bassbeats zu bestehen schien. An der Eingangstür stand Dietmar Wöhlers Name.
Ich hatte genug Zeit mit Kampfsporttraining verbracht, um auf den ersten Blick zu erkennen, dass hier wirklich trainiert wurde. Menschen, die ein Fitnessstudio hauptsächlich zur Beruhigung ihres Gewissens, vorzugsweise nach Silvester besuchten, wählten eher ein Familiencenter mit Spielecke, einen Wellnesstempel oder eine Rehasporteinrichtung mit Schwerpunkt Wirbelsäule.
In einer Gym wie dieser hingegen schwitzten Typen, die alle Rocky- Filme auswendig mitsprechen konnten. Die brauchten nur ausreichend Eisen und ein paar
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