Tödlicher Kick
Mühe gekostet, mich optisch von meinen Eltern abzugrenzen. Curly hingegen hatte nie auf äußerliche Gemeinsamkeiten stoßen können.
»Ich mach das wieder gut, Mama«, versicherte Curly über den Blondschopf ihrer jüngeren Halbschwester hinweg. »Das sind Ben Danner und Lila Ziegler. Sie haben mich aus dem Gefängnis geholt. Sie werden Paps auch rausholen. Das können Sie doch, nicht wahr?«
Ich spitzte die Lippen. Das klang nach dem erhofften Folgeauftrag, Danner hatte richtig gelegen.
Curlys Mutter schossen Tränen der Erleichterung in die Augen: »Oh, Gott sei Dank! Kommen Sie! Kommen Sie doch herein.«
Wir traten aus dem Flur in ein Wohnzimmer, in dem ich auf den ersten Blick nur Meer, Sonne, Strand und Palmen sah. Wow. Die Wände über den alten, mit Troddeln und Bommeln verzierten Möbeln waren mit Urlaubsfotos tapeziert.
»Setzen Sie sich, bitte.«
Die geschnitzten, mit Goldlack bepinselten Füße des Sofas wollten so ganz und gar nicht zu dem Palmenposter darüber passen.
»Hat Ihr Mann davon gesprochen, dass er sich am Abend des Spiels mit Moeshas Lebensgefährten treffen wollte?«, erkundigte sich Danner.
Moeshas Mutter kaute auf einem lackierten Fingernagel. Die weißliche Haut im zu weiten Ausschnitt ihrer Bluse bekam hektische rote Flecken.
»Cindy, gehst du bitte mal in dein Zimmer und malst ein Bild?«, schickte sie Moeshas rosa Schwester hinaus, bevor sie antwortete.
»Ja.«
Ja? Es dauerte einen Moment, bis ich den Gesprächsfaden wiedergefunden hatte. Moeshas Vater war tatsächlich mit der Absicht, Mongabadhi zu treffen, zum Spiel gefahren? Oder ihm danach aufzulauern?
Curly schüttelte entsetzt ihre dunkle Mähne. »Was erzählst du denn da, Mama?«
Danner nahm auf der olivgrünen Wolldecke Platz, die die Sitzfläche des Ecksofas vor Gebrauchsspuren schützte. Oder ebendiese verdeckte.
»Du bist einfach verschwunden, Moesha«, fuhr die Mutter die Tochter an. »Wir haben ganz Bochum nach dir abgesucht. Die Polizei macht ja nichts, weil du volljährig bist. Wir dachten, dir wäre was zugestoßen. Wir sind aus allen Wolken gefallen, als wir dich mit dem Fußballspieler in der Zeitung gesehen haben.« Sie schniefte. »Aber ausgeflippt ist Ralfi erst, als er gelesen hat, dass du eine Nutte sein sollst. Er hat angefangen, nach dem Bordell zu suchen. Als er es endlich gefunden hatte, ist er an so einen tätowierten Schläger geraten, der hat ihm die Finger gebrochen.«
Curly erstarrte.
»Als letzte Woche der Gips abgenommen wurde, hat Ralfi geschworen, sich die Typen vorzuknöpfen.« Sie verbarg das mittlerweile hochrote Gesicht in den Händen. »Am Samstag hat er mit seinem Bruder und seinem Cousin das Spiel besucht.«
Sein Bruder und sein Cousin? Wenn das mal nicht die beiden Hilfswilligen waren, die Ralfi Schmidtmüller auch bei dem Angriff auf Goldstein zur Seite gestanden hatten.
»Wann ist Ihr Mann an dem Abend nach Hause gekommen?«, stellte Danner die entscheidende Frage. Denn Gutschenk und Jankowski gaben ja an, dass Oran Mongabadhi noch am Leben gewesen war, als sie das Stadiongelände gegen vierundzwanzig Uhr verlassen hatten.
Curlys Mutter schluchzte.
»Wir können Ihrem Mann nur helfen, wenn Sie uns die volle Wahrheit sagen, Frau Schmidtmüller«, sagte ich behutsam.
Sie sah schwer atmend auf.
»Nach Mitternacht. Seine Hose war schmutzig«, antwortete sie tonlos. »Es … es sah aus wie Blut.«
»Können wir die Wäsche sehen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Die Polizei war da. Die haben alles mitgenommen.«
O je.
In der ratlosen Stille glaubte ich, die Worte von Curlys Mutter in meinem Kopf nachhallen zu hören.
»Die Presse wird bestimmt bald hier auftauchen«, sagte Danner schließlich. »Sie sollten ein paar Sachen zusammenpacken und sich mit Ihren Töchtern ein Hotelzimmer nehmen. Wir melden uns, sobald es etwas Neues gibt.«
»Wir könnten vorübergehend zu meinen Eltern gehen«, überlegte Elvira Schmidtmüller.
Curlys Rücken wurde steif. Sie drückte den Nacken durch und schlang die Arme um ihren Körper. Sah aus, als hätte sie Bauchschmerzen. Ich konnte ihr ansehen, dass sie nicht zu ihren Großeltern gehen würde. Jede Wette.
Würde sie erneut zu Esmeralda zurückkehren? Waren Schampus und Partys noch immer verlockend?
»Besser, wir bringen Moesha an einem sicheren Ort unter«, entschied ich spontan. »Haben Sie noch Sachen zum Anziehen hier?«
Curly sah mich erstaunt an.
Danner ebenfalls.
»Oben«, beantwortete ihre Mutter meine Frage.
Curly
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