Tödlicher Mittsommer
war.
»Ich glaube, da war ich hier und habe mich mit dem Boot beschäftigt. Irgendwann funktionierte der Leerlauf nicht richtig, also habe ich versucht, den Motor zu reparieren. Das muss an dem Wochenende gewesen sein.«
»Gibt es jemanden, der das bezeugen kann?«
»Sylvia natürlich. Sie war hier.«
»Den ganzen Tag?«, wollte Thomas wissen.
Philip Fahléns Blick begann zu flackern.
»Ich glaube schon. Zumindest fast den ganzen Tag. Wenn ich mich nicht täusche, ist sie nachmittags eine Stunde mit dem Rad weggewesen, um sich in der Taucherbar mit ein paar Freundinnen auf ein Glas Wein zu treffen. Aber das fragen Sie sie am besten selbst. Wer erinnert sich denn noch genau, was vor anderthalb Wochen war.«
Thomas beugte sich weit vor, sodass sein Gesicht nur wenige Handbreit von Philip Fahléns Gesicht entfernt war. Der Mann roch stark nach Zigaretten.
»Ist es wirklich wahr, dass Sie weder Krister Berggren noch seine Cousine Kicki kannten? Ist keiner der beiden jemals hier zu Besuch gewesen?«
»Nein, das sage ich doch! Glauben Sie, ich weiß nicht, wer in meinem Haus ein und aus geht?«, erwiderte Philip Fahlén mit schriller Stimme.
»Vorhin haben Sie noch gesagt, dass Sie Jonny Almhult nicht kannten, und dann haben Sie es doch zugegeben.«
»Also jetzt reicht es mir langsam. Was versuchen Sie mir eigentlich zu unterstellen? Falls Sie vorhaben, mit dieser Art von Fragerei weiterzumachen, sage ich kein Wort mehr ohne meinen Anwalt.«
Fahlén starrte Thomas aufgebracht an.
»Das wäre natürlich eine Alternative«, räumte Thomas ein. »Aber für uns alle ist es einfacher, wenn Sie unsere Fragen jetzt beantworten, solange wir hier sind.«
Diese Ansicht teilte Philip Fahlén nicht.
Er erhob sich zum Zeichen, dass das Gespräch beendet war, und trocknete sich mit einem roten Taschentuch die Stirn. Dann ging er in die Diele, wo er demonstrativ die Haustür sperrangelweit aufriss.
»Vielen Dank für Ihren Besuch. Einen schönen Tag noch.«
Wider Willen imponierte Thomas der fette Mann in der Tür. So viel Mumm hätte er Fahlén gar nicht zugetraut. Der Mann hatte auf ihn bauernschlau und ein bisschen naiv gewirkt, aber alles andere als mutig. Umso mehr beeindruckte es Thomas, dass Fahlén nun kurzen Prozess machte.
Sie erhoben sich und gingen zur Tür.
Ihr Gastgeber fuhr sich noch einmal mit dem roten Taschentuch über die Stirn. Thomas warf ihm einen letzten forschenden Blick zu, bevor er durch die Tür nach draußen ging.
»Auf Wiedersehen«, sagte er freundlich.
Philip Fahlén ignorierte seine ausgestreckte Hand.
Margit und Thomas öffneten die Gartenpforte und traten auf den Weg hinaus. Es hatte etwas aufgefrischt. Der Wind säuselte in den Bäumen, deren graue Stämme einen weichen Kontrast zum Grün desBlaubeergestrüpps bildeten. Inseln aus grüngrauem Moos lagen wie flaumige Kissen zwischen den Kiefern.
Margit sah auf ihre Armbanduhr.
»Es wird langsam spät. Wir müssen sehen, dass wir noch eine Fähre zur Stadt erreichen.«
Sie drehte sich um und warf einen Blick auf das Haus, aus dem sie gerade gekommen waren.
»Was hältst du von dem Mann? So ein Paradebeispiel von neureichem Kerl ist mir bislang noch nicht untergekommen. Aber ich weiß nicht, ist das wirklich der Typ, der drei Morde begeht?«
Thomas kratzte sich den Nacken, während er nach einer Antwort suchte.
»Schwer zu sagen. Er wirkte nicht besonders vertrauenerweckend. Im Gegenteil, ziemlich nervös, wie mir schien. Meiner Meinung nach sollten wir den Mann auf jeden Fall genauer unter die Lupe nehmen. Pieter Graaf können wir erst mal fallen lassen, denke ich, aber dieser Fahlén ist irgendwie nicht ganz astrein.«
Er warf einen letzten Blick auf das marzipangrüne Haus, dann sah er auf die Uhr.
»Ich glaube, in einer halben Stunde geht eine Fähre. Wenn wir uns gleich auf den Weg machen, erreichen wir sie bequem.«
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Kapitel 52
Mittwoch, vierte Woche
Kapitel 52
Nora blickte sich neugierig um. Die Adresse der Personalagentur hatte sie zu einem alten Backsteinhaus im vornehmen Stockholmer Bezirk Öfre Östermalm geführt. Das Haus hatte einen standesgemäßen Eingang mit rotem Teppich in der Halle. Die Büros der Agentur befanden sich im zweiten Stock in einer alten Patrizieretage, die sicherlich zu ihrer Zeit von einer vermögenden Bürgerfamilie bewohnt worden war.
Es wunderte sie nicht, dass die Bank mit einer anderen konservativen Firma zusammenarbeitete. Die Finanzwelt stand nicht gerade in dem Ruf,
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