Tödlicher Mittsommer
stehen. Er schluckte krampfhaft und hielt sich am Türrahmen fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Gerade hatte die Polizei bei ihm geklopft und gefragt, ob er Kicki Berggren begegnet war, und er hatte sich nur mit größter Mühe zusammenreißen können.
Er war schon reichlich blau, dabei war es erst halb drei.
Seit seine Mutter ihn gestern Mittag geweckt und ihm erzählt hatte, dass im Missionshaus eine tote Frau gefunden worden war, hatte er ununterbrochen Bier in sich hineingeschüttet.
Er wagte es nicht, nüchtern zu sein.
Während er ausgestreckt auf dem Sofa im Wohnzimmer lag, waren ihm die Gedanken im Kopf herumgegangen. Ab und zu war er eingenickt. Wenn er aufwachte, betäubte er seine Angst mit noch mehr Alkohol.
Er roch die Ausdünstungen seines Körpers. Sie waren nicht sehr schmeichelhaft.
Nervös fragte er sich, ob der Bulle ihm wohl angesehen hatte, dass er ihm direkt ins Gesicht log. Der Typ hatte ihm ein Foto von der Braut aus der Kneipe unter die Nase gehalten und gefragt, ob er sie schon mal gesehen habe.
Er hatte natürlich verneint.
Hatte gesagt, er sehe die Frau zum ersten Mal. Hatte die Arme über der Brust verschränkt, damit der Polizist nicht merkte, wie seine Hände zitterten.
Er war sich vorgekommen, als stünde ihm quer über die Stirn geschrieben, dass sie hier im Haus gewesen war. Aber der Polizist hatte sich nur für die Störung entschuldigt und ihm noch einen schönen Sonntag gewünscht.
Der konnte sich seinen schönen Sonntag sonst wo hinstecken.
Jonny wankte zurück ins Wohnzimmer und ließ sich aufs Sofa fallen. Auf dem Tisch stand ein lauwarmes Bier, und er streckte sich danach aus. Was sollte er sagen, falls der Bulle zurückkam? Weiterhin abstreiten? Sich irgendeine Geschichte ausdenken?
Im Värdshus hatte Inger sie bedient, und die hatte bestimmt schon überall herumerzählt, dass er mit der Frau zusammen am Tisch gesessen hatte.
So verdammt überflüssig.
Er hatte nur ein bisschen mit ihr reden wollen. Weiter nichts. Und dann war es aus dem Ruder gelaufen. Weil sie nichts kapiert hatte. Die blöde Kuh.
Wie zur Hölle konnte sie nur auf diese Art sterben?
In Gedanken ging er noch mal durch, was passiert war. Sie hatten hier auf dem Sofa gesessen, und dann hatte sie angefangen rumzuzicken. Er musste einfach was tun. Und das hatte er.
Es war kein besonders harter Schlag gewesen. Wirklich nicht. Nur ein kleiner Wink, damit sie kapierte. Er war kein gewalttätiger Typ.
Er trank den Rest aus der Dose und ließ sie auf den Boden fallen. Sie rollte mit einem schwachen metallischen Geräusch unters Sofa. Wieso hatte sie nicht getan, was er ihr sagte? Von Anfang an?
Eine verdammte Scheiße, in die er da geraten war.
Er schluckte wieder ein paarmal. Hier konnte er nicht bleiben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis den Bullen klar würde, dass sie ihn sich besser noch mal vorknöpfen sollten. Er hatte nicht vor, sich die Sache in die Schuhe schieben zu lassen. Das war wirklich nicht seine Schuld gewesen.
Er hatte nie die Absicht gehabt, sie umzubringen. So war das überhaupt nicht gedacht gewesen.
Ohne noch mehr Zeit mit Grübeleien zu verplempern, fasste er einen Entschluss. Er würde nach Stockholm fahren. Rasch stopfte er eine Jeans und ein paar T-Shirts in eine Sporttasche. Er war sich ziemlich sicher, dass gegen drei eine Direktfähre ging. Wenn er sich ein bisschen beeilte, konnte er sie noch erwischen.
In der Küche griff er sich einen Milchkarton und trank direkt daraus. Als er ihn zurückstellen wollte, sah er zwei Dosen Bier im Kühlschrank. Die konnte er genauso gut mitnehmen. Dann spülteer eine Alvedon mit dem letzten Rest Milch hinunter und ging nach draußen.
Er überlegte, ob er einen Zettel für seine Mutter dalassen sollte, beschloss dann aber, dass es einfacher wäre, sie später auf dem Handy anzurufen. Falls er Lust hätte.
Jonny ging, so schnell er konnte, hinunter zur Dampfschiffbrücke.
Dort lag die Cinderella , proppenvoll mit Touristen, die den Tag auf der Insel verbracht hatten und jetzt nach Hause wollten. Kinderwagen und Rucksäcke, so weit das Auge reichte. Er unterdrückte einen Impuls, sich auf der Gangway vorzudrängeln.
Immer schön ruhig, dachte er. Nur keine Aufmerksamkeit erregen.
Er war ganz außer Atem von dem schnellen Fußmarsch, versuchte aber, sich zu beherrschen und nicht so laut zu keuchen, dass es auffiel. Mit gesenktem Kopf ging er an Bord und setzte sich ans Heck. Er zog die Kapuze seines Sweatshirts
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