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Tödlicher Mittsommer

Tödlicher Mittsommer

Titel: Tödlicher Mittsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viveca Sten
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Nora als Eindringen in die private Zone auf, die seiner Meinung nach der Ehe vorbehalten war.
    Es gab eine unterschwellige Reserviertheit zwischen den beiden Männern, die nicht abnahm, obwohl sie sich mittlerweile schon ziemlich lange kannten. Dass Henrik aus einer großbürgerlichen Familie mit zutiefst konservativen Wertvorstellungen kam, machte die Sache nicht besser.
    Außerdem war er Arzt und gewohnt, dass alle ihm zuhörten, wenn er etwas zu sagen hatte. Es gab gewisse autoritäre Züge an Henrik, über die Thomas sich manchmal ärgerte. Und die Art, wie er Nora oftmals unterbrach, wenn sie mitten in einem Satz war, oder die Gereiztheit, die er an den Tag legte, wenn sie nicht stets und ständig seiner Meinung war, ließ Thomas zuweilen über die Harmonie in der Ehe der beiden nachdenken.
    Er beschloss, Henrik doch anzurufen und eine Nachricht auf seiner Mailbox zu hinterlassen, damit er wusste, was ihn erwartete, wenn er nach Hause kam.
    Mit ein bisschen Glück würde er vielleicht begreifen, dass er sich besser schnell auf den Heimweg zu seiner Frau machen sollte.

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Kapitel 35
Freitag, dritte Woche
Kapitel 35
    Als Thomas am Freitagmorgen die Polizeistation in Nacka betrat, war es herrlich ruhig. Es schien, als hätten die meisten derjenigen Beamten, die nicht im Urlaub waren, beschlossen, später zum Dienst zu kommen. Sogar die frühesten Frühaufsteher unter seinen Kollegen glänzten durch Abwesenheit.
    Er hatte wieder einmal die erste Fähre in die Stadt genommen, und zur Belohnung war er eine Weile ganz allein im Büro.
    Thomas genoss die Stille.
    Es war eine anstrengende Woche gewesen. Und sie war noch nicht zu Ende. Was für eine Befreiung, sich einfach auf den Stuhl sinken zu lassen und mit niemandem reden zu müssen.
    Er ging mit seinem Becher in der Hand in die Teeküche. Der Becher war groß und stabil und trug das Emblem der Wasserschutzpolizei.
    Die verschiedenen Teesorten standen aufgereiht auf einem Regal. Nach kurzem Überlegen entschied er sich für einen Earl Grey. Nicht sehr originell vielleicht, aber gerade richtig für einen frühen Morgen. Zwei Stück Zucker und ein Schuss Milch, und der Tee war perfekt.
    Mit vollem Becher ging er durch den Korridor zurück zu seinem kahlen Dienstzimmer. Bis auf den obligatorischen Schreibtisch, zwei Besucherstühle aus Birke und ein neutrales Regal aus demselben hellen Holz war es im Prinzip leer.
    Auf dem Schreibtisch lagen verschiedene Haufen von Papieren und Dokumenten. Es gab keine Fotos oder Topfblumen, die den Raum gemütlich gemacht oder wenigstens davon gezeugt hätten, dass sich hier ein Mensch aufhielt.
    Früher hatte immer ein großes Foto von Pernilla neben dem Telefon gestanden. Er hatte das Bild geliebt. Es war im Sonnenuntergang auf Harö aufgenommen. Pernillas Haare waren sonnengebleicht, und das Foto war geprägt von diesem besonderen Abendlicht, das es nur an den Sommerabenden im Schärengarten gab.
    Sie hatte ganz am Ende des Bootsstegs gesessen und übers Meergeblickt, und genau in dem Moment war die Sonne untergegangen. Sie hatte nicht gemerkt, dass er sie fotografierte, und gerade deshalb war die Aufnahme so gut geworden. Ein wunderbarer Augenblick, behutsam festgehalten in einem Foto.
    Nach der Scheidung hatte er das Foto vom Schreibtisch genommen, sich aber nicht entschließen können, es wegzuwerfen. Jetzt lag es ganz unten in der Schreibtischschublade.
    Ein Foto von Emily aufzustellen, brachte er nicht über sich. Das war zu hart.
    Immer wenn er an Emily dachte, sah er ihre winzige kleine Hand vor sich, die in seiner ruhte. Er hatte stundenlang an ihrem Bett gesessen, bis sie kamen, um sie zu holen, und die kleinen Finger gestreichelt, die vollkommen leblos in seiner großen Handfläche gelegen hatten.
    Es war ihm unmöglich gewesen zu begreifen, dass er nie wieder ihre weichen Wangen berühren oder sie im Arm halten würde. Zum Schluss, als die Rettungswagenbesatzung darauf bestanden hatte, Emily mitzunehmen, war er beinahe durchgedreht. Er hatte sich an ihr festgeklammert, als könnte er sie allein durch seine Willenskraft wieder zum Atmen bringen.
    Er hatte geheult wie ein verwundetes Tier im Wald. Hatte haltlos geschluchzt, als er seine Tochter loslassen musste.
    Weder die Beerdigung, bei der der kleine weiße Sarg vor dem Altar stand, noch die unausweichliche Scheidung von Pernilla – nichts war so schmerzhaft gewesen wie der Moment, als er den Rettungswagen mit der Leiche seiner Tochter davonfahren sah.
    Auf dem

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