Tödlicher Mittsommer
seltsam«, erwiderte Thomas.
Margit hatte recht. Wer würde aus Versehen vergiftete Rattenköder schlucken, vor allem, weil das Gift normalerweise grell eingefärbt war?
Margit begann wieder zu sprechen. »Warfarin kommt mir irgendwie bekannt vor, verwendet man das nicht auch bei Menschen?«
Thomas nickte und überflog den Bericht.
»Warfarin ist auch ein Wirkstoff in der Humanmedizin, steht hier. Es ist unter anderem in Medikamenten zur Behandlung von Schlaganfällen enthalten, da es die Bildung von Blutgerinnseln verhindert.Aber es kann auch innere Blutungen hervorrufen, wenn man es in zu hohen Dosen verabreicht. Genau das ist Israels ehemaligem Premierminister Ariel Sharon passiert. Er hatte erst eine Thrombose, und als er daraufhin mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt wurde, führte das zu einer ausgedehnten Hirnblutung.«
»Davon habe ich in den Nachrichten gehört«, sagte Carina schnell.
Thomas blätterte weiter und versuchte, den Inhalt zusammenzufassen.
»Das Labor in Linköping teilt mit, dass sie routinemäßig eine Analysemethode nur für Warfarin anwenden. Deshalb war es nicht besonders schwierig, die extrem hohe Dosis nachzuweisen und sie auf Rattengift zurückzuführen. Eine Dosis, die auch die anderen Blutungen erklärt, die bei der Obduktion gefunden wurden.«
Der Alte trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. Seine Ungeduld war ihm meilenweit anzumerken.
»Wann hat sie das Rattengift eingenommen, sagst du?«
»Laut Analyse vergehen zwischen zwölf und vierundzwanzig Stunden, bevor das Gift seine volle Wirkung entfaltet. Der Schlag oder die Schläge, die ihr offenbar bei Almhult im Haus zugefügt wurden, haben aller Wahrscheinlichkeit nach die Situation verschlimmert. Sie wurde am Samstag gegen zwölf Uhr mittags gefunden. Nach Aussage des Gerichtsmediziners war sie da schon einige Stunden tot. Wenn wir zurückrechnen, muss sie also irgendwann im Laufe des Freitags vergiftet worden sein.«
»Dann ist es wohl am wahrscheinlichsten, dass sie auf Sandhamn vergiftet wurde«, warf Kalle ein. »Sie kam ja Freitag kurz nach Mittag dort an. Das hat jedenfalls das Mädchen vom Kiosk gesagt, das sie auf dem Foto wiedererkannt hat.«
Kalle schien sehr zufrieden zu sein, dass er der Erste war, der diese Schlussfolgerung laut aussprach. Er blickte triumphierend in die Runde.
Aus dem Lautsprechertelefon meldete sich Margits Stimme.
»Bist du sicher, dass sie das Gift nicht woanders zu sich genommen haben kann?«
Thomas machte ein skeptisches Gesicht.
»Hundertprozentig sicher kann man wohl nie sein, aber die Analyse ist ziemlich eindeutig. Gift dieser Art wirkt innerhalb des genannten Zeitrahmens. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sie irgendwo anders als auf Sandhamn vergiftet wurde, aber auszuschließen ist das natürlich nicht.«
»Wer hat Zugang zu Rattengift?«, fragte Erik.
»Die meisten, vermute ich«, erwiderte Thomas. »Das kann man doch wohl überall kaufen. Aber das müssen wir natürlich untersuchen.«
Er wandte sich an Kalle.
»Kalle, du rufst am besten die Giftzentrale an, wenn wir hier fertig sind. Erkundige dich bei ihnen, wie und wo man an das Gift kommt. Ob es möglich ist, die Spur zurückzuverfolgen, oder ob es frei verkauft wird. Vielleicht haben sie ja einen Toxikologen, der sich mit so was auskennt.«
»Versuch es auch bei Anticimex«, schlug Carina vor. »Als Schädlingsbekämpfer müssten die eigentlich alles über Rattengift wissen und wie man da rankommt.«
Der Alte streckte die Hand nach der Schüssel auf dem Tisch aus und biss gereizt in seine dritte Zimtschnecke. Während er kaute, schielte er zum Lautsprechertelefon.
»Zusammengefasst haben wir also folgende Situation: Die Frau nimmt zuerst eine tödliche Dosis Rattengift zu sich. Dann ist sie äußerlicher Gewalteinwirkung ausgesetzt, die zwar nicht tödlich ist, aber die Frau hat so viel Rattengift im Körper, dass die Gewalt tödlich wirkt. All das passiert auf Sandhamn, vermutlich in Gesellschaft von jemandem, der im weiteren Verlauf ertrunken aufgefunden wird, ebenfalls auf Sandhamn. Sind die eigentlich komplett verrückt geworden da draußen? Ist da irgendwas im Trinkwasser, oder wie?«
Der Alte stieß die Worte wütend hervor. Carina schrieb mit, als gälte es das Leben. Die Stimmung am Tisch war gedrückt. Alle starrten auf ihre Papiere und vermieden es, einander anzusehen. Die Situation war gelinde gesagt ernst.
Thomas räusperte sich.
»Ich habe noch mehr. Die Leiterin des
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