Tödlicher Mittsommer
Pfefferkuchenhäuschen erinnerte. Alles war äußerst gepflegt und in Schuss, aber im Miniaturformat. Das Grundstück um das Haus herum war kaum zwei Meter breit. Die Flagge war gehisst und die ganze Südwand bedeckt von Brombeerranken, große blauschwarze Brombeeren hingen in dicken Trauben an den Zweigen, obwohl erst Juli war. Schöne Töpfe mit verschiedenen Pflanzen standen auf der Erde entlang des Lattenzauns. Eine klitzekleine Holzterrasse war in eine Ecke gezwängt worden und bot gerade genug Platz für einen Tisch und zwei Stühle, daneben stand ein winziger Holzschuppen mit grauen Flechten auf den Dachziegeln.
Es sah aus wie eine Reklame für Sommerferien in Schweden.
Sie überquerten Adolfs torg, den Platz, auf dem jedes Jahr das traditionelle Mittsommerfest stattfand. Die Mittsommerstange in ihrem Laubkleid stand immer noch, allerdings etwas angewelkt und längst nicht mehr so grün, wie sie wohl einige Wochen zuvor noch ausgesehen hatte. An einem der Häuser, die den Platz säumten, stand ein Rosenbusch, der mit seinen Blütenranken die ganze Wand bedeckte, es sah aus wie ein rosa Feuerwerk. Offenbar gab es kein einziges Haus ohne prachtvolle Blumenbeete, die mit üppigen Blumen und Sträuchern prunkten.
Thomas fragte sich, ob Sandhamn wohl ein Mikroklima hatte, das besonders günstig für die Überwinterung der Pflanzen war. Wahrscheinlich gab es keinen Gartenbesitzer auf diesem Fleckchen Erde, der nicht seine gesamte Freizeit mit der Hege und Pflege des Gartens verbrachte. Allein das Gießen musste Stunden dauern.
Er drehte sich zu Margit um.
»Warst du schon mal auf Sandhamn?«
»Ja, vor einer halben Ewigkeit. Meine Töchter fahren ab und zu mit ihren Freundinnen her, die Insel scheint ja bei den Jugendlichen hoch im Kurs zu stehen. Bertil und ich waren schon lange nicht mehr hier. Das letzte Mal an einem Mittsommerabend vor zwanzig Jahren, als ganz Sandhamn von völlig betrunkenen Halbstarken nur so wimmelte. Das war furchtbar. Besoffene Teenager, die auf den Landungsbrücken randalierten, und weit und breit kein Erwachsener in Sicht.«
»Ich weiß genau, was du meinst«, sagte Thomas. »Als ich noch bei der Wasserschutzpolizei war, musste ich so manchen von ihnen aufsammeln und nach Hause bringen. Aber ich habe den Eindruck, dass die Saufgelage in den letzten Jahren deutlich abgenommen haben. Inzwischen sind die meisten Lokale am Mittsommerabend geschlossen, und es gibt auch nicht mehr so viele Plätze zum Zelten.«
»Ja, das sollte helfen.«
»Und wie. In einem Jahr war das Wetter so schlecht, dass ein paar Jugendliche sogar in die polizeiliche Meldestelle eingebrochen sind, nur um ein Dach über dem Kopf zu haben. Eine Art umgekehrter Inhaftierung, oder wie man das nennen will.«
Bei der Erinnerung daran lachte Thomas leise in sich hinein.
Sie gingen weiter in Richtung Västerudd. Thomas machte einen kleinen Umweg, um ihr Noras Haus zu zeigen und zu erzählen, dass dort sein Patenkind wohnte.
»Schöner Zaun«, bemerkte Margit. »Dieses Sonnenmuster habe ich bisher noch nirgends gesehen.«
»Ich glaube, den hat ihr Großvater gezimmert. Sie hat das Haus vorungefähr zehn Jahren von ihren Großeltern mütterlicherseits geerbt, und der Zaun steht da schon, so lange ich zurückdenken kann.«
»Eine richtige Zierde.« Margit nickte anerkennend. »Wie schön, wenn altes Handwerk so bewahrt wird.«
»Wir könnten nachher kurz vorbeigehen und Hallo sagen, wenn wir fertig sind«, schlug Thomas vor. »Ich würde Simon gern sehen, falls wir die Zeit haben.«
Margit nickte.
Schweigend setzten sie ihren Weg fort, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.
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Kapitel 48
Pieter Graafs Haus war eine typische Fünfzigerjahre-Villa, umgeben von einem großen sandigen Grundstück mit einer Schaukel und ein paar Krüppelkiefern. Es hätte in einem x-beliebigen Vorort auf dem Festland stehen können – eine klassische Eigenheimlösung, wie sie nach dem Krieg populär war, als die Leute aus den Innenstädten aufs Land drängten.
Zwei Schlafzimmer, Küche und Wohnzimmer. Kleine Fenster, gelbe Holzfassade auf einem grauen Betonfundament. Weißer Holzzaun rundherum.
Margit sah fragend zu Thomas, der ihr erklärte, dass das Gebiet gleich nach dem Zweiten Weltkrieg bebaut worden war. Damals hatte man eine Handvoll Grundstücke außerhalb des sogenannten Villenviertels erschlossen, um Bauplätze für Lotsenfamilien zu schaffen, die nach Sandhamn zogen.
Pieter Graaf stellte sich als Mann um
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