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Tödlicher Puppenzauber

Tödlicher Puppenzauber

Titel: Tödlicher Puppenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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hinterließ bei mir einen Schauer.
    Hand in Hand gingen wir auf den Vorhang zu. Sie ließ mich auch nicht los, als sie ihn öffnete. Dazu nahm sie die andere. Der Vorhang lief auf Ringen, die über eine Stange geklemmt waren. Geschmeidig glitt er zur Seite — und öffnete mir den Blick in eine andere Welt…
    ***
    Ich stand da und staunte. Mit diesem Anblick hätte ich nicht gerechnet. Was ich vor mir sah, das glich einer Inszenierung, einem perfekten Bühnenbild, geschaffen von einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, die sich mit der Kunst der Darstellung — Performance — beschäftigte.
    »Nun?«
    »Ich bin überwältigt. Wirklich. Damit hätte ich nicht gerechnet.«
    Jessica lachte. »Gehen Sie ruhig hinein, schauen Sie sich alles aus der Nähe an.«
    Ich betrat keine Wohnung, dafür ein Atelier, das an die Rückseite des Hauses angebaut worden war.
    Glas bildete eine vom Dachfirst schräg nach unten laufende Front. Es war in zahlreiche Rechtecke unterteilt, wobei eines gekippt stand und Frischluft hineinließ.
    Das Atelier war nicht so ausgeleuchtet wie der Wohnraum. Wenn Licht vorhanden war, wurde es konzentriert eingesetzt und strahlte gegen die von Jessica Long aufgebauten Stilleben.
    Links stand ihr Arbeitstisch. Eine große Holzplatte auf vier Beinen, an einer Seite mit einem schwenkbaren Teil versehen, auf dem ein Farbkasten seinen Platz gefunden hatte. Auf dem Arbeitstisch saßen zwei Puppen. Eine davon hatte ihren Platz in einem kleinen Schaukelstuhl gefunden. Sie trug ein blauweiß kariertes Kleid aus Kittelstoff. Die zweite Puppe saß in einem Ohrensessel. Sie stellte einen Mann dar, der aussah wie ein Bilderbuchgroßvater und seine Pfeife rauchte.
    »Gehen Sie ruhig weiter, John, und schauen Sie sich alles genau an.«
    »Danke.« Meine Hand rutschte aus der ihren, und ich trat tiefer in das Atelier.
    Wind fächerte durch die Lücke des Kippfensters gegen mein Gesicht, als ich mich nach rechts drehte, wo die zahlreichen Darstellungen aufgebaut worden waren.
    Was sollte ich dazu sagen?
    Ich hatte das Gefühl, als hätte mir Jessica ihre Seele offenbart. Diese Stilleben zeigten Szenen, die erotisch, aber auch fast brutal waren. Dann wiederum vom Hauch der Nostalgie aus dem letzten Jahrhundert umweht.
    Jede Arbeit war eine Bühne für sich. Da stand eine Domina im schwarzen Lederkostüm und schwang eine Peitsche, deren Ende über einer gefesselten Puppe schwebte, die vor den Füßen der Frau lag. Eine harte Szene, aber durch die Gesichter der Puppen wurde ihr die Schärfe genommen. Sie wirkte surrealistisch, einfach überzogen. Ich ging weiter.
    Eine Tänzerin beugte sich dem Betrachter entgegen. Ihr langes Haar kitzelte mit seinen Enden den Boden. Sie stand auf einem kleinen runden Podest, während vor ihr zwei Puppenmänner knieten, die aus einem Berg von Müll stiegen und ihr die Hände entgegenreckten, damit die Tänzerin sie retten sollte.
    Jessica Long kam mir nach. »Eine interessante Performance, finden Sie nicht auch?«
    »In der Tat.«
    »Sie sagt etwas aus. Die Erde, das ist der Müll. Die beiden männlichen Puppen, das sind wir, die Menschen…«
    »Und die Tänzerin?«
    »Ist für mich die Sonne. Ich gehe davon aus, daß uns allein die Sonne retten kann. Nur sie schafft es, die Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, denn sie ist dabei zu kippen. Die Sonne hat seit altersher der Erde die Kraft gegeben und hat sie später an die Menschheit weitervermittelt. Wir müssen uns wieder auf die Kraft der Sonne besinnen und nicht auf die der Waffen.«
    »Da haben Sie nicht unrecht.«
    »Denken Sie auch so?«
    »Ähnlich.«
    Ich wollte alles sehen, deshalb gingen wir weiter, um die nächste Szene zu betrachten. Jessica Long hatte ihre Darstellung in einem weiten Halbkreis aufgebaut, man konnte an ihm vorbeigehen und bekam ständig neue Szenen geliefert.
    »Ich werde sie auch so in die Ausstellung geben«, sagte die Künstlerin. Sie befand sich dicht neben mir. Ich nahm den sehr weiblichen Geruch ihrer Haut auf. Einen Duft, wie ihn nur eine Vollfrau benutzen konnte. War die erste Darstellung mit der peitschenschwingenden Domina ein kleiner Schock für den Betrachter gewesen, so traf mich das dritte Stilleben noch härter.
    Es war böse, zynisch und eine Abrechnung mit einem gewissen Teil unserer Gesellschaft.
    Inmitten leerer Konservendosen und zahlreicher Flaschen hockte ein fetter Mann und fraß. Die männliche Puppe trug einen Nadelstreifenanzug, ein Hemd, das bekleckert war, und eine

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