Tödlicher Ruhm
aus.«
Selbst eine unschuldige Bemerkung wie diese zog manch besorgten Blick unter den Bewohnern und einige Diskussionen draußen nach sich. Sally hatte nur Jazz geantwortet, aber daran erinnert zu werden, dass sie mehr als nur am Rande mit Gewalt vertraut war... nun, es brachte einen doch zum Nachdenken.
Manchmal stellten sie sich dem allgegenwärtigen Thema auch direkt.
»Dieser Scheißbadeanzug rutscht mir immer in die Arschritze«, sagte Gazzer. »Wenn ich den Sack kriege, der diese Idee hatte, ramm ich ihm ein gottverdammtes Messer in den Kopf!« Es hatte ein Scherz sein sollen, aber niemand lachte, als dieser bis zum Erbrechen in den Trailern von Hausarrest wiederholt wurde, und Gazzer kletterte in den »Täter«-Abstimmungen der Boulevardpresse für kurze Zeit um ein, zwei Punkte.
31. Tag 11:20 Uhr
Coleridge gönnte sich gerade eine Pause bei der Durchsicht des Peeping-Tom-Archivs, als der Bericht der Gerichtsmedizin eintraf.
»Tja, die Flecken von Erbrochenem auf dem Toilettensitz stammen von Kelly«, erklärte er.
»Iihh«, sagte Trisha.
»Allerdings«, stimmte Coleridge zu. »Und außerdem waren da Spuren von Galle in ihrem Hals und hinten im Mund. Man nimmt an, dass sie würgen musste. Es gibt keinen Zweifel: Kelly war extrem aufgewühlt, als sie den Schwitzkasten verließ.«
»Armes Mädchen. So seine letzten Minuten zu verbringen. Zu versuchen, nicht alle anderen im engen Plastikzelt voll zu reihern. Mein Gott, muss sie betrunken gewesen sein.«
»Das war sie. Im Bericht steht, sie hatte über drei Promille.«
»Das ist aber echt hackedicht... sternhagelvoll. Kein Wunder, dass sie Schwierigkeiten hatte, es bei sich zu behalten.«
»Im Bericht steht außerdem, dass ihre Zunge geprellt ist.«
»Geprellt... Sie meinen gebissen?«
»Nein, geprellt, als hätte ihr jemand mit Gewalt einen Daumen in den Mund geschoben.«
»Oh... Also wollte sie jemand zum Schweigen bringen?«
»Das scheint mir die naheliegendste Erklärung.«
»Vielleicht musste sie würgen, weil ihr jemand einen Daumen in den Mund geschoben hat. Kein Wunder, dass sie es so eilig hatte, aus dem Schwitzkasten zu kommen.«
»Ja, obwohl... wenn ihr jemand in diesem Kasten eine Hand so fest in den Mund geschoben hätte, dass dabei ihre Zunge geprellt wurde, sollte man doch annehmen, dass irgendjemand ihre Reaktion darauf gehört hätte, oder?«
32. Tag 19:30 Uhr
Im Lauf der Woche bekam die Gruppe langsam den Dreh heraus, was das Ballett anging, und die Bilder ihrer gemeinsamen Aufführung von »Schwanenflug«, erst außerhalb des Pools und dann im Wasser, wurde das teuerste Vier-Minuten-Video in der Geschichte des Fernsehens.
Neben dem Ballett konnte die fernsehinteressierte Öffentlichkeit natürlich auch Zeuge des Dramas schlichter Koexistenz der Kandidaten im Haus werden. Jeder einzelne Bewohner hatte unablässig alle anderen im Auge und betrachtete sie als potenzielle Mörder. Jeder Blick — ob verstohlen aus dem Augenwinkel, eilig abgewandt oder dieses lange, bohrende Starren — hatte plötzlich eine düstere Bedeutung. Richtig zusammengeschnitten, konnte jedes Zucken jedes Gesichtsmuskels jedes einzelnen Bewohners entweder wie ein Geständnis oder eine Mordanklage aussehen.
Und dann waren da die Messer. Da sie gut bei Kasse war, hatte Geraldine rund um die Uhr sechs Kameramänner in den Gängen, zu den Mahlzeiten sogar zehn postiert. Die einzige Anweisung für die meisten dieser Kameramänner lautete, die Messer im Auge zu behalten. Wann immer ein Bewohner eines von ihnen in die Hand nahm, um Butter auf sein Brot zu schmieren, eine Karotte zu zerhacken, ein Stück Fleisch zu schneiden, waren die Kameras da, zoomten sich heran, sobald sich die Finger um den Griff schlossen, und fingen das grelle Blitzen ein, wenn sich das Licht der Neonröhren auf der Klinge spiegelte.
Peeping Toms Psychologe suchte die Aufnahmen nicht mehr nach koketter Körpersprache ab, sondern forschte nach einem Mörder. Bald schon gesellten sich ein Kriminologe und ein Ex-Chief-Constable zu ihm, die gemeinsam ausgiebig diskutierten, welcher der sieben Verdächtigen mit einem Messer in der Hand am vertrautesten zu sein schien.
32. Tag 23:00 Uhr
Die Abende waren für die Bewohner die schlimmste Zeit, da sie dann Zeit hatten, über ihre Lage nachzudenken. Wenn sie miteinander darüber sprachen, was so gut wie nie vorkam, waren sie sich alle einig, dass das Schlimmste die Ungewissheit war. Die Spielregeln hatten sich nicht geändert, jeder
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