Tödlicher Ruhm
gänzlich unvorbereitet kam. Als die Flut der Anfragen nach Bildern vom Mord über das Büro hereinbrach, hatte man sie wie ganz normale Anfragen behandelt, so wie sie tagtäglich von Frühstücksfernsehen und Kabel-Talkshows eingingen.
Man hatte die Aufnahmen einfach herausgegeben!
Normalerweise freute man sich bei Peeping Tom über die Publicity. Die Nation hatte genug vom Reality-TV und es war unerlässlich, dass man, wenn sich Jazz ein Omelett zubereitete oder Layla von den Blähungen der Jungs genervt war, den Eindruck vermittelte, als fände dort ein Ereignis von nationaler Bedeutung statt. Daher bemühte sich Peeping Tom aktiv um Gelegenheiten, die Sendung in anderen Programmen unterzubringen. Als plötzlich jede Nachrichten- und Reportage-Sendung auf der Erde Bilder haben wollte, waren die Sekretärinnen bei Peeping Tom nur der üblichen Prozedur gefolgt und hatten sie umsonst herausgegeben. In Wahrheit hatte die ungeheure Menge an angeforderten Bändern Peeping Tom mehrere tausend Pfund gekostet.
Keiner der Beteiligten würde je Geraldines Reaktion vergessen, als sie feststellte, was passiert war. Das Vokabular der englischen Sprache besaß schlichtweg nicht genügend Schimpfwörter, dass ihr Zorn angemessenen Ausdruck hätte finden können. Im kleinen Kreis jedoch hatte sie zugeben müssen, dass sie selbst schuld war. Sie hätte schneller reagieren sollen. Sie hätte sofort erkennen müssen, wie gewinnträchtig dieser Mord werden würde.
Doch Geraldine machte ihren Fehler bald wieder gut, sodass man von den Sendern, die weiteres Hausarrest -Material verbreiten wollten, einen wahrlich stattlichen Preis verlangte. Doch so hoch Geraldine diesen Preis auch trieb, er wurde stets ohne Murren gezahlt.
Eine Woche nach dem Mord war aus Geraldine, der alleinigen Besitzerin von Peeping Tom Productions, eine vielfache, vielfache Millionärin geworden. Obwohl, wie sie in zahllosen Interviews erklären sollte, dieser Umstand selbstverständlich keineswegs der Grund für sie gewesen war, die Sendung fortzusetzen. O nein, wie sie bereits oft genug deutlich gemacht hatte, tat sie es, weil es ihre Pflicht war. Sie tat es, um den Zuschauern eine Möglichkeit zur Trauer zu bieten.
Darüber hinaus ließ Geraldine nachdrückliche, wenn auch vage Andeutungen über beträchtliche wohltätige Spenden fallen, deren Einzelheiten natürlich noch festzulegen seien.
30. Tag 10:30 Uhr
Einige Kommentatoren hatten vorausgesagt, ein derart beispielloses internationales Interesse an Hausarrest ließe sich nicht aufrecht erhalten, doch sie täuschten sich. Abend für Abend sahen die Zuschauer, wie sieben Mordverdächtige in einer Atmosphäre des Schocks, der Trauer und des abgrundtiefen Misstrauens nebeneinanderher lebten.
Peeping Tom hatte verkündet, das Spiel solle weitergehen, als sei nichts gewesen, bis die Polizei eine Verhaftung vornahm. Nominierungen würden wie gewohnt stattfinden, und man wolle den Bewohnern eine Aufgabe stellen, bei der sie gemeinsam zeigen sollten, was sie konnten, um sich das wöchentliche Einkaufsbudget zu verdienen. In der Woche nach dem Mord ging es darum, im Swimmingpool ein Synchron-Wasserballett einzustudieren.
Geraldine hatte die Idee von der australischen Version der Show entliehen, doch in diesem neuen Kontext hätte sie nicht passender sein können. Geraldine war sich durchaus des Problems bewusst, wie schwer es werden würde, den hohen Grad an Aufmerksamkeit zu halten, den der Mord und seine Nachwirkungen mit sich gebracht hatten, und die Idee, den Bewohnern ein Ballett aufzutragen, wertete mancher Kritiker als Geniestreich. Der Anblick dieser erschöpften, nervösen, verzweifelten Menschen, von denen einer ein Mörder war, gemeinsam bei der Probe klassischer Tanzbewegung (allesamt in weit ausgeschnittenen Speedo-Badeanzügen), sorgte dafür, dass die Zuschauerzahlen weiter stiegen. Die Tatsache, dass die Klänge von Mantovanis entspannendsten Geigenstücken durchs Haus waberten, verlieh den Übungen und dem Gezänk gleichermaßen eine noch düsterere, unwirkliche Note.
»Verdammte Scheiße, du sollst dein rechtes Bein heben, Gazzer!«, rief Moon, als Garry versuchte, eine Bewegung auszuführen, die als »Schwan« bezeichnet wurde.
»Ich bin doch schon total verknotet. Ich bin doch kein Schlangenmensch.«
»Streck deine Füße, Mädchen«, ermahnte Jazz Sally. »Sie sagen, sie wollen Eleganz und Anmut bewerten.«
»Ich bin Rausschmeißerin, Jazz, mit Anmut kenn ich mich nicht
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