Tödlicher Ruhm
Scheißfaschistin! Wer vom Schwert lebt, wird durch das Schwert umkommen.«
Und wie zur Bestätigung hoben die Polizisten ihn hoch und trugen ihn hinaus. Als sie den strampelnden Woggle durch die Tür bugsierten, fiel die Wolldecke zu Boden, sodass Woggles magerer Körper zu sehen war, noch immer nackt und weiß vom Flohpuder.
Er sah jämmerlich aus. Dies war die ultimative Demütigung.
34. Tag 23:50 Uhr
Auf der Fahrt nach Hause versuchte Coleridge, Woggle aus seinen Gedanken zu verdrängen, indem er Radio 4 hörte. Coleridge mochte Radio 4, denn worüber dort auch immer geredet wurde, er blieb doch jedes Mal daran hängen. Oft genug hatte er schon draußen vor dem Haus im Wagen gesessen und einer Diskussion über Getreiderotation in Westafrika oder irgendeinem anderen Thema gelauscht, von dem er noch nie gehört hatte und an das er auch nie wieder denken würde. Selbst die Vorhersagen des Seewetterdienstes hörte er sich gern an, da sie sonderbare Emotionen und Erinnerungen an dunkle, felsige Küsten, wilde Taifune und lange, einsame Wachen bei Nacht weckten.
Das Thema an diesem Abend war die wirtschaftliche Talfahrt des ländlichen Irlands. Durch das Abwandern von Geld und jungen Leuten in die Städte, gepaart mit Einschnitten bei den europäischen Agrarsubventionen, waren einige Dörfer in eine verzweifelte finanzielle Schieflage geraten. Schulden und drückende Hypotheken trieben manche Familie an den Rand des Ruins. Coleridge horchte auf, als eines der Dörfer genannt wurde, das am schlimmsten betroffen war: Ballymagoon. Er überlegte, wo er den Namen kürzlich erst gehört hatte.
Erst als er seine zweite Dose Bier öffnete (und überlegte, ob er sich ein Stück Schinken dazu gönnen sollte), fiel es ihm wieder ein. Er hatte den Namen in der Akte einer Tatverdächtigen gelesen. Ballymagoon war das Dorf, aus dem Dervla stammte.
35. Tag 9:30 Uhr
»Es ist der fünfzehnte Tag im Haus, und nach dem Essen stellt Peeping Tom den Bewohnern ein Diskussionsthema, um sie von Woggle abzulenken«, dröhnte Andy, der Erzähler, unheilschwanger.
Coleridge rührte im zweiten Becher Tee seines Arbeitstages herum. Die zu Hause zählten nicht.
Trisha hastete zur Tür herein und zog ihren Mantel aus.
»Sie kommen gerade rechtzeitig, Patricia«, sagte Coleridge. »Unsere Tatverdächtigen wollen gerade über das bedeutendste und erhabenste aller Themen sprechen: über sich selbst.«
»Tatverdächtige und Opfer, Sir.«
Es war noch früh am Morgen, und Trisha war nicht in der Stimmung für Coleridges Überheblichkeit. Außerdem fand sie, dass zumindest den Toten Respekt gezollt werden sollte. Coleridge lächelte nur müde.
Auf dem Bildschirm hatte Garry das Wort ergriffen. »Ich will euch nichts vormachen«, sagte er. »Ich war nicht immer ein besonders netter Mensch.«
»Das bist du auch jetzt noch nicht«, warf Jazz ein, aber keiner lachte. Stattdessen wahrten alle die ernsthaften, mitfühlenden Mienen, die sie aufgesetzt hatten, seit Garry angefangen hatte zu sprechen.
Coleridge drückte die Pausentaste. »Sehen Sie, dass niemand über Jazz’ Scherz lacht? Es ist die Zeit der Geständnisse. Jetzt wird es ernst. Eine Frage des Vertrauens. Garry betet vor dem Altar seiner eigenen Bedeutsamkeit, und Jazz lacht in der Kirche.«
»Sir, wenn wir jedes Mal anhalten, sobald diese Leute Ihnen auf die Nerven gehen, schaffen wir heute nicht mal dieses eine Band.«
»Ich kann nichts dafür, Patricia. Diese Leute reiben mich auf.« Aber Coleridge wusste, dass er dummes Zeug redete, und beschloss, sich mehr anzustrengen.
Garry begann zu erzählen. »Wie gesagt, ich war wohl so was wie ein fauler Hund, wenn ihr wisst, was ich meine. Hier ein bisschen, da ein bisschen, alles Mögliche, hab ein paar schräge Sachen gemacht, von denen ich gern zugeben will, dass ich nicht gerade stolz darauf bin. Aber schließlich und endlich... also, ich hab’s gemacht, ich ganz allein, und ich kann es nicht mehr ändern. Ich wollte einfach groß rauskommen, und es war mir nicht so wichtig, auf wen ich mich einlassen musste, um dahin zu kommen. Versteht ihr, was ich sagen will?«
Mitfühlendes Gemurmel wurde laut, wenn auch nicht sehr.
»Ich glaube, in Wahrheit lag es wohl daran«, fuhr Garry fort, »dass ich mich selbst nicht geliebt habe.«
Alle nickten ernst. Das verstanden sie. Garrys sonstige Besonderheiten — die Schlägereien, die Sauferei, die faulen Geschäfte — mochten sich von ihren unterscheiden, aber wenn es um das zentrale
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