Tödlicher Schnappschuss
Die Kollegen aus Hannover sind
in solchen Dingen schnell vor Ort. Und ich kann mich hier nicht mit einem
erholungsbedürftigen Kommissar aus Nordrhein-Westfalen herumärgern,
der in einem Mordfall zum Zeugen wurde und einfach nicht abschalten kann.«
Sie wanderte wütend auf und ab, redete sich in Rage.
Maja Klausen unterbrach ihre
ruhelose Wanderung und stemmte die Hände in die Hüften. »Wenn
Sie mir etwas zu sagen haben, dann tun Sie das. Hier und jetzt. Ansonsten
erhalten Sie eine schriftliche Ladung von den Kollegen, und Sie bekommen
die Gelegenheit, Ihre Beobachtungen auf der Burg Polle in der Inspektion
zu erläutern.« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr.
»Also los - sagen Sie, was Sie zu sagen haben, oder lassen Sie es.
Der tote Fotograf ist mein Fall, und ich möchte nicht, dass Sie sich
noch einmal in meine Arbeit einmischen. Andernfalls werde ich Ihren
Vorgesetzten in Wuppertal anrufen und mich über Sie beschweren, ist
das klar?«
Sie war laut geworden, und
zwei Jogger blickten sich verwundert zu dem seltsamen Paar um.
Ulbricht ließ die
Standpauke geduldig über sich ergehen und setzte nun seinen treuesten
Hundeblick auf. Dann langte er in seine Tasche und zog den Mikrochip
hervor.
»Was ist das?«
Maja Klausen hatte sichtlich Mühe, möglichst gleichgültig
zu klingen.
»Der Grund, weshalb Sie
den Laptop mitbringen sollten.«
»Und?«
»Die Karte stammt aus
Christian Vorbergs Wohnung.«
»Sie … Sie
…«, fauchte sie wütend. »Das ist Unterschlagung
von Beweismitteln!«
»Ist es nicht, denn ich
hatte nicht vor, den Chip zu unterschlagen.«
»Sie setzen mich unter
Druck.«
»Ich möchte mit
Ihnen kooperieren.« Ulbricht stand auf und trat an das Weserufer.
Ein Ausflugsdampfer zog gemächlich vorüber. Die Passagiere an
Deck winkten ihnen zu.
»Auf der Karte befinden
sich wahrscheinlich brisante Daten. Jedenfalls hatte Vorberg sie im Spülkasten
seiner Toilette versteckt. Vielleicht ist das der Schlüssel zu seinem
Mörder.«
»Geben Sie ihn mir!«
Maja Klausen trat an ihn heran und streckte verlangend die Hand nach der
Speicherkarte aus.
»Arbeiten wir zusammen
an dem Fall?« Ulbricht streckte nun ebenfalls den Arm aus,
allerdings über den Fluss. Der Chip in seiner Hand schwebte über
dem Wasser. Er musste nur den Griff lockern, und die Karte würde für
immer verloren sein.
»Sie erpressen mich.«
»Ich möchte Ihnen
helfen.«
»Ich brauche Ihre Hilfe
nicht, kapieren Sie das nicht, Sie alter Sturkopf?«
»Nein, Sie brauchen
mich sehr wohl. Also, was ist nun?«
»Was ist, wenn ich nein
sage? Werfen Sie den Chip dann in die Weser?«
»Bei uns sagt man, er würde
über die Wupper gehen.«
Maja Klausen rang sichtlich
um ihre Fassung. Am liebsten, das spürte Ulbricht, hätte sie ihn
zum Teufel gejagt. Sie dachte angestrengt nach, kaute auf der Unterlippe und schien die Fürs
und Widers abzuwägen, bevor sie nickte.
»Also gut«, sagte
sie leise. »Sie sind dabei. Aber Sie bleiben Privatmann und halten
sich im Hintergrund. Wenn Sie eine gute Idee haben, will ich sie zuerst
wissen. Alleingänge sind ein absolutes Tabu und ziehen ein
Disziplinarverfahren nach sich, das ich gegen Sie anstrengen werde, sofern
Sie nicht nach meiner Pfeife tanzen.« Sie seufzte, rang sich ein Lächeln
ab und streckte die Hand nach der Speicherkarte aus. »So«,
sagte sie. »Und nun her mit dem Ding!«
»Ich hasse es, wenn ich
meine Mitmenschen zu ihrem Glück zwingen muss«, grinste
Ulbricht. Er ließ die Hand mit dem Chip sinken und ging zur Bank zurück.
Diesmal setzte sich Maja Klausen neben ihn. Sie legte den Laptop auf ihren
Schoß und klappte das Gerät auf. Es dauerte einen Moment, bis
das System betriebsbereit war, dann ließ sie sich von Ulbricht den
Chip aushändigen und steckte ihn in den Kartenleser.
»Und nun bin ich
gespannt, was uns erwartet«, murmelte Ulbricht und legte eine Hand
über die Lehne der Bank. Fast sah es so aus, als würde er einen
Arm um Maja Klausens Schultern legen. Sie blickte sich ein wenig
verwundert um, sagte aber nichts zu dieser vertraut wirkenden Geste,
sondern klickte sich durch das Menü des tragbaren Rechners. Eine
Falte hatte sich auf ihrer Nasenwurzel gebildet.
»Zig verschiedene
Ordner mit Fotodateien«, murmelte sie. »Es wird ewig dauern,
bis wir das Material gesichtet und analysiert haben.«
»Wir sollten uns
Weitere Kostenlose Bücher